piwik no script img

Schock für Scharping

Die Bundesanwaltschaft ermittelt gegen die Geliebte des Exverteidigungsministers

Gräfin Pilati soll als „Romeo-Agentin“ auf Rudolf Scharping angesetzt worden sein

BERLIN taz ■ Erneuter schwerer Schlag für Exminister Rudolf Scharping: Die Bundesanwaltschaft hat Vorermittlungen gegen Scharpings Lebensgefährtin Kristina Gräfin Pilati-Borggreve aufgenommen – wegen des Verdachts der nachrichtendienstlichen Tätigkeit. Die Gräfin, die den Titel der Heirat mit ihrem ersten Mann verdankt, soll gezielt auf den damaligen Geheimnisträger und Verteidigungsminister angesetzt worden sein, um sein Vertrauen zu erschleichen und sein Wissen abzuschöpfen. Auftraggeber und „Führungsoffizier“ war angeblich der PR-Stratege Moritz Hunzinger.

Pilati war Scharping bei einem so genannten Politischen Salon des Lobbyisten zugeführt worden. Hunzinger, der damals als Mittelsmann für mehrere Rüstungsfirmen tätig war, ist schon länger im Visier der Ermittler. „Scharping war für ihn Gold wert“, glaubt man in Karlsruhe, „durch Scharping war er über alle Beschaffungsprojekte der Bundeswehr auf dem Laufenden, oft noch vor dem geheim tagenden Verteidigungsausschuss des Bundestages.“

Offenbar war Hunzinger beim ersten Versuch einer Kontaktaufnahme an der Diskretion des Ministers gescheitert. Trotz massiver finanzieller Zuwendungen habe sich Scharping stets an die gebotene Geheimhaltungspflicht gehalten, glaubt die Bundesanwaltschaft. Erst der Gräfin gegenüber habe sich der getrennt lebende Scharping offenbart. „Wir kennen das von der Stasi“, sagte ein Ermittler unter Hinweis auf die „Romeo-Agenten“ des ostdeutschen Spionage-Apparats.

Nachbarn berichten, im Arbeitszimmer der Gräfin in ihrer Frankfurter Stadtwohnung habe oft „noch spät abends“ Licht gebrannt. Die Ermittler vermuten, dass sie in dieser Zeit ihre Treffberichte für Hunzinger verfasste. „Der Minister hat da längst geschlafen“, zeigte sich ein Beamter gestern überzeugt, „er hat von ihrer Spitzelarbeit mit Sicherheit nichts mitbekommen.“

Im Lichte ihrer Erkenntnisse bewerten die Beamten auch die umstrittenen Swimming-Pool-Fotos neu. Die mit Scharpings Zustimmung in der Zeitschrift Bunte veröffentlichten Aufnahmen aus Mallorca dienten womöglich dazu, Pilatis Rolle an der Seite des Ministers öffentlich abzusichern. „Nach den Badefotos wäre eine Trennung undenkbar gewesen“, beschreibt man in Karlsruhe das Kalkül. Hunzinger hatte seinerzeit den Kontakt zu Bunte-Chefreporter Paul Sahner vermittelt.

Hunzinger verteidigte sich gestern im Fernsehsender n-tv leidenschaftlich gegen den Spionage-Vorwurf. „Das ist doch absoluter Blödsinn“, so der PR-Berater, „erstens kenne ich meinen Minister schon lange persönlich, dafür brauchte ich keine Gräfin, und zweitens ist nachrichtendienstliche Tätigkeit nur im Auftrag ausländischer Geheimdienste strafbar.“ Die Bundesanwaltschaft konnte den Widerspruch gestern nicht unmittelbar aufklären. Ein mit den Ermittlungen vertrauter Mitarbeiter der Behörde versicherte jedoch, gegen Scharping selbst lägen keinerlei Verdachtsmomente vor. „Er war hier eindeutig das Opfer“, hieß es in Karlsruhe. Ein Behördensprecher wollte sich gestern nicht an weiteren Spekulationen, ob aus der Zweckbeziehung der Gräfin im Laufe der Zeit echte Liebe geworden sein könnte. „Das muss Herr Scharping selbst beurteilen“, sagte der Sprecher.

Der Verdacht gegen Gräfin Piltai ist für den Exminister der dritte persönliche Schlag in den vergangenen Wochen. Seine Entlassung aus dem Amt des Verteidigungsministers traf den sympathischen Pfälzer am 80. Geburtstag seiner Mutter Hilde. Am selben Tag gab Scharpings Exfrau Jutta bekannt, sie rechne binnen Kürze mit der Scheidung von ihrem getrennt lebenden Mann. HADRIAN BÜLOW

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen