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Schmerzensgeld bei sexueller GewaltVerjährung spielt keine Rolle

Sexuelle Gewalttäter dürfen für verjährte Taten zwar nicht bestraft werden, Opfer können aber Schmerzensgeld fordern. So urteilte der Bundesgerichtshof.

„Nicht aufgeben“: Auch Jahre später kann widerfahrenes Unrecht gerichtlich anerkannt werden. Bild: dpa

KARLSRUHE dpa | Traumatisierte Opfer sexueller Gewalt können auch nach Ablauf der Verjährungsfrist Ansprüche auf Schmerzensgeld geltend machen. Der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe bestätigte in letzter Instanz eine Entscheidung des Osnabrücker Landgerichts.

Dieses hatte 2011 einen Mann zur Zahlung von 7.500 Euro Schmerzensgeld verurteilt. Er hatte zwischen 1985 und 1990 mehrfach einen mittlerweile 36-Jährigen missbraucht. Das Opfer hatte die Taten 15 Jahre lang verdrängt und erst nach Ablauf der Verjährungsfrist zivilrechtlich auf Schmerzensgeld geklagt.

„Ich hoffe, dass dieses Urteil den vielen anderen Betroffenen in Deutschland hilft, nicht aufzugeben und letztlich auch durch ein Gericht anerkannt zu bekommen, dass ihnen Unrecht widerfahren ist“, sagte Opfer-Anwalt Bernhard Weiner in der Neuen Osnabrücker Zeitung. Strafrechtlich müsse der Täter keine Konsequenzen mehr fürchten. Hier sei die Tat dauerhaft verjährt.

Das Opfer erinnerte sich erst 2005 bei einer Familienfeier an die Tat. Auslöser war die Offenbarung seiner jüngeren Schwester, von einem Nachbarn der Familie missbraucht worden zu sein. Dadurch kehrte auch bei dem Mann die Erinnerung an den eigenen Missbrauch zurück. Normalerweise wäre die Verjährungsfrist nach drei Jahren abgelaufen. Die Revision des Beklagten wurde zurückgewiesen.

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4 Kommentare

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  • H
    Hörby

    Verjährung bedeutet doch das die Wahrnehmung unserer Gesellschaft gegenüber sexuellem Mißbrauch nicht über den Rechtstatbestand hinausreicht.Den Opfern verjährt in Ihren Seelen kein Moment.Und Schadensersatz,in diesem falle 7500 Euro,blanker Hohn,wer meint mit Geld diese Taten wiedergutmachen zu können irrt.Man stelle sich vor das ein Täter mit dem Wissen um die Verjährungsfrist(3 Jahre) seine Opfer bedrängt.Dringende Änderungen sind hier nötig.

  • DK
    Der kleine gute

    Ich find's allemal korrekt. Das mit der Verjährung is echt mal voll Scheisse. Aber die Möglichkeit zu haben, die Drecksäcke(innen) zumindest irgendwie zur Rechenschaft ziehen zu können is schonmal ne gute Sache.

    Gilt das eigentlich für Züchtigung auch? Als mein Vater mich misshandelte, war das leider noch nicht Strafbar. Schmerzensgeld wäre trozdem mal nich verkehrt...

  • J
    Jule

    Verjährung nach 3 Jahren! Das ist ja unglaublich!! Ich finde, sexueller Missbrauch sollte frühestens nach 20 Jahren verjähren, weil es ein unglaubliches Vergehen an der Psyche und der Würde des betroffenen Menschen ist. Zumal, wie in diesem Fall, es manchmal lang dauern kann, bis man sich traut, oder bis es einem wieder einfällt!

  • N
    nihi.list

    Sexuelle Gewalttäter und Gewalttäterinnen bitte. Oder ist die TAZ etwa sexistisch?

     

    Dass sexueller Mißbrauch überhaupt verjähren kann ist meiner Meinung nach ein unhaltbarer Zustand, über den massiv berichtet werden müsste. Aber dafür ist ja keine Zeit; es müssen Altherrenwitze ausdiskutiert werden, ist ja viel wichtiger.