Schließung des AKW Fessenheim wackelt: Abschalten wird zu teuer
Frankreichs Umweltministerin Royal sorgt mit Äußerungen über das Ende des AKW Fessenheim für Wirbel. Hollande hatte die Schließung versprochen.
PARIS afp | Frankreichs Umweltministerin Ségolène Royal hat die von Staatschef François Hollande versprochene Schließung des Atomkraftwerks Fessenheim im Elsass bis Ende 2016 offen in Frage gestellt. Die Sozialistin machte am Dienstag im Sender France Inter deutlich, dass auch zwei andere Reaktoren als die in Fessenheim nahe der deutschen Grenze stillgelegt werden könnten. Die baden-württembergische Landesregierung forderte dagegen das Aus für Fessenheim.
Wenn der Atomkraftwerksbetreiber EDF einen „vernünftigeren Vorschlag als eine Schließung von Fessenheim“ unterbreiten würde, dann werde sie den Vorschlag prüfen, sagte Royal.
Es müsse darum gehen, „die beiden Reaktoren zu schließen“, bei denen die Investitionen für die Sicherheitsstandards „am teuersten wären“. Es seien bereits 500 Millionen Euro in Fessenheim investiert worden. Solche Fragen müssten „intelligent und ohne jede Ideologie“ gelöst werden.
Hollande hatte bis Ende 2016 eine Schließung des Atomkraftwerks Fessenheim versprochen, dessen beide Reaktoren 1977 und 1978 in Betrieb genommen wurden und damit die ältesten in Frankreich sind. Umweltschützer in Frankreich, Deutschland und der Schweiz fordern bereits seit Jahren die Stilllegung des als besonders pannenanfällig geltenden Atomkraftwerks.
Die Nationalversammlung berät
In einem Gesetz zur Energiewende, das von Mittwoch an in der Nationalversammlung beraten wird, ist die Schließung von Fessenheim nicht verankert. Festgeschrieben wird lediglich eine Kapazitätsobergrenze von 63 Gigawatt für die Atomkraft, was dem heutigen Stand entspricht. Da 2016 der Europäische Druckwasserreaktor (EPR) im nordfranzösischen Flamanville in Betrieb gehen soll, müssen im Gegenzug andere Reaktoren stillgelegt werden.
„Natürlich ziehe ich eine Schließung von Reaktoren an einem Standort vor, wo es mehr als zwei Reaktoren gibt“, sagte Royal nun auf France Inter. „Das verhindert die komplette Schließung eines Industriestandortes.“ In Fessenheim gibt es lediglich zwei Reaktoren.
Am Dienstag wurde auch ein parlamentarischer Bericht zu Fessenheim veröffentlicht. Die Autoren, der konservative Abgeordnete Hervé Mariton und der Sozialist Marc Goua, beziffern die Kosten für eine Schließung auf fünf Milliarden Euro – und das zusätzlich zu den Kosten für den Abbau der Anlage selbst.
Hohe Entschädigung befürchet
So könnte EDF allein eine Entschädigung von vier Milliarden Euro fordern, weitere Kosten würden sich aus den Folgen für die Beschäftigung in der Region, das Stromnetz oder das Ansehen der Atomindustrie ergeben. Angesichts der „angespannten Haushaltslage“ Frankreichs solle Fessenheim daher nicht wie geplant bis Ende 2016 vom Netz genommen werden, urteilen die Abgeordneten.
Royal widersprach den Abgeordneten in Bezug auf die Kosten. Sie werde sich nicht von „Erpressung“ und „verrückten Berechnungen“ beeinflussen lassen, sagte die Umweltministerin, die jahrelang mit Staatschef Hollande liiert war.
Der baden-württembergische Umweltminister Franz Untersteller (Grüne) bekräftigte die Forderung nach einem Abschalten der direkt am Rhein und damit an der deutschen Grenze gelegenen Anlage.
„Das Kernkraftwerk in Fessenheim muss spätestens Ende 2016 vom Netz“, erklärte er. Hollande habe die Schließung bis Ende 2016 versprochen und Royals Sonderbeauftragter für internationale Beziehungen, Jean-Louis Bianco, habe dies noch vor drei Wochen bestätigt. „Darauf verlassen wir uns!“
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