Schleuserrouten nach Libyen: „Die Preise haben sich verdreifacht“
Auf dem Weg durch die Sahara nach Libyen meiden Schlepper die Wasserstellen, sagt Migrationsexpertin Marina Schramm.
taz: Frau Schramm, im Oktober 2016 hat die Bundeskanzlerin Angela Merkel Niger besucht und dem Land Geld geboten, damit es den Weg nach Libyen versperrt. Was hat sich seither verändert?
Marina Schramm: Wir betreiben Aufnahmeeinrichtungen für rückkehrende Transitmigranten. Aus den Befragungen dieser Menschen ergibt sich, dass sich die Routen verändert haben. Der bislang hauptsächlich frequentierte Weg nach Libyen führte mitten durch die Wüste, aber entlang der wenigen Brunnen und Städte. Dort war auch vorher schon die nigrische Armee präsent. Schon seit August interveniert sie und nimmt gezielt die Fahrer der Migranten fest. Einige der Fahrer zahlen vielleicht Schmiergeld, die meisten weichen aber offenbar auf andere Routen aus.
Das bedeutet also: Die Schlepper meiden auf dem Weg durch die Sahara nun die Wasserstellen?
Ja. Es gibt nicht viele Brunnen, ohne Trinkwasser ist der Weg schon schwieriger. Die Passage ist zudem deutlich teurer geworden. Rückkehrer berichten uns, dass die Preise sich verdreifacht haben.
Was heißt das konkret?
Früher kostete der Weg von Agadez nach Libyen umgerechnet rund 230 Euro, heute sind es fast 700 Euro.
Welche Wege nehmen die Migranten heute?
Beweisen kann man das nicht, aber wir gehen davon aus, dass die neue Route weiter östlich, nahe der Grenze zum Tschad verläuft. Es gibt darauf hindeutende Hilferufe, die von Migranten in der Wüste aufgegeben werden. Wir versuchen das gerade zu verstehen, wohin sich die Wege verlagern.
arbeitet als Programmkoordinatorin bei der Internationalen Organisation für Migration (IOM) in Agadez, Niger.
Es heißt, die Zahlen der Ankommenden in Libyen seien durch die Intervention der Armee stark zurück gegangen. Ist das zutreffend?
In den sogenannten Ghettos in Agadez, den Gasthäusern, in denen die Migranten auf die Passage warten, sind die Zahlen tatsächlich stark zurück gegangen. Im Sommer waren dort teils 300 Leute, heute sind es eher 20 bis 30. Da gibt es einen saisonalen Effekt. Wir glauben aber nicht, dass es keine Migration mehr nach Libyen gibt. Es gibt durchaus Gruppen, die auch heute reisen, aber wir sehen die nicht mehr unbedingt.
Viele der Rückkehrer waren in Libyen. Was berichten die Ihnen?
Es ist immer noch ganz klar, dass die Situation dort seht schwierig ist, es sind ganz fürchterliche Zustände. Die Menschen berichten alle immer von Folter in Privatgefängnissen, von Erpressung. Die Familien müssen Geld schicken. Die, die wieder bei uns in Niger auftauchen, sind die, die es geschafft haben wegzulaufen oder bei denen die Familie es geschafft hat, Geld zu schicken. Aber sie berichten von ihren „Brüdern“, also Landsleuten, die da noch festsitzen. Und von den Erschießungen, von denen nun in den Medien zu lesen war, hören wir auch.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!