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Schleswig-Holstein: Tod in der BadewanneEin Ehrenwort und ein Todesfall

Wie der Ministerpäsident von Schleswig-Holstein über seine schmutzigen Tricks im Wahlkampf stürzte und in einem Genfer Luxushotel endete

Von Esther Geißlinger

Eine Rufmordkampagne im Auftrag der Regierung, ein Opfer, das mehr wusste als es zugab, ein Toter in der Badewanne: Vieles an der Barschel-Affäre scheint unglaublich – und bis heute halten einige Zeit­zeu­g*­in­nen daran fest, dass mehr hinter dem Ende des damaligen Kieler Ministerpräsidenten steckt als Selbstmord.

Uwe Barschel regierte seit 1982 in Kiel und war einer der jüngsten Ministerpräsidenten Deutschlands. Er galt als Hoffnungsträger der CDU, sogar als „Kohls Kronprinz“. Doch als die SPD für die Wahl 1987 den beliebten Lübecker Björn Engholm aufstellte, gerieten die Umfragen ins Rutschen. Für Barschel war es offenbar unvorstellbar, das traditionell schwarze Schleswig-Holstein an einen Sozi zu verlieren. So holte er den Springer-Journalisten Reiner Pfeiffer in die Staatskanzlei, der als Mann fürs Grobe eine Schmutzkampagne gegen Engholm startete.

Detektive folgten dem Oppositionsführer, in anonymen Schreiben wurden angeblich falsche Steuererklärungen angeprangert und sexuelle Eskapaden Engholms behauptet. Doch Mitte September, kurz vor der Wahl, packte Pfeiffer im Spiegel aus: Barschel habe die Maßnahmen angeordnet. Sogar eine Abhörwanze habe er von Pfeiffer verlangt, um sie in sein eigenes Diensttelefon einzubauen in der Hoffnung, die Opposition zu diskreditieren.

Bei einer spektakulären Pressekonferenz stritt Barschel alles ab und gab sein „Ehrenwort, ich wiederhole, mein Ehrenwort“, nichts gewusst zu haben. Kurz darauf musste er zurücktreten.

Am Morgen des 11. Oktober fanden zwei Sternreporter Barschel tot in seinem Zimmer im Hotel Beau-Rivage am Genfer See – das Foto des Mannes im weißen Hemd mit Schlips in der Badewanne ging um die Welt.

Der Anschein sprach für Selbstmord. Aber Familie Barschel und der damalige Lübecker Staatsanwalt Heinrich Wille glaubten an Mord. Sie verwiesen auf eine fehlende Weinflasche, einen abgerissenen Knopf und Dreck auf dem Läufer vor der Wanne. Ein ehemaliger Mossad-Agent Victor Ostrovsky brachte in einem 1994 erschienenen Buch den israelischen Geheimdienst ins Spiel. Nach dieser These wollten BND, Mossad und Verfassungsschutz über Schleswig-Holstein Waffengeschäfte abwickeln – Barschel wusste offenbar zu viel.

Oder war es die Stasi, wie der Berliner Journalist Andreas Förster meinte? So reiste Barschel mehrfach in die DDR und feierte angeblich im Warnemünder Hotel Neptun. Ging es um Erpressung oder wirkte die „U-Boot-Affäre“ nach, ein Waffendeal, bei dem Pläne aus der Kieler Howaldtswerke Deutsche Werft AG (HDW) nach Südafrika verkauft wurden? Gab es weitere Deals der HDW mit dem Schah-Regime in Iran, und spielte die DDR dabei mit?

Waffengeschäfte, die über Schleswig-Holstein abgewickelt wurden, vermutete auch der Buchautor Wolfram Baentsch. Er brachte neben Mossad und US-Geheimdiensten den Privatdetektiv Werner Mauss in Spiel: Der hielt sich offenbar an Barschels letztem Wochenende in Genf auf und der damalige CIA-Chef Robert Gates saß einige Tage vor Barschels Tod mit ihm im selben Flugzeug. Mauss klagte gegen Baentsch’ Darstellung und gewann.

Nach dem Film „Der Fall Barschel“ von 2015, der die Mord-These vertritt, meldete sich der Hamburger Rechtsmediziner Werner Janssen, der 1987 die Obduktion vornahm: „Es war Suizid“, sagte er der Zeit. Dafür spricht der Medikamentencocktail in Barschels Körper, der in einem Leitfaden der Gesellschaft für humanes Sterben beschrieben wird. Dort steht die Empfehlung, sich in die Badewanne zu legen. „Dass ein Geheimdienst jemanden mit Barbituraten umbringt, kann nur ein Witzbold glauben“, heißt es in einem Bericht des Generalstaatsanwalts Erhard Rex.

Wie auch immer Barschel starb, „Waterkant-Gate“ wirkte nach. Björn Engholm wurde im Mai 1988 zum Ministerpräsidenten, 1991 zum SPD-Bundesvorsitzenden gewählt, er war als Kanzlerkandidat im Gespräch – da berichtete der Stern, der SPD-Sozialminister Günther Jansen habe Pfeiffer in den 80er-Jahren 40.000 Mark gezahlt. Jansen bestätigte das und erklärte, es sei aus „sozialen Gründen“ passiert, da Pfeiffer seine Stelle verloren habe. Das Geld habe er zuhause privat in einer Schublade aufbewahrt.

Die „Schubladenaffäre“ kostete auch Engholm seine Karriere, als herauskam, dass er früher als bis dahin bekannt von Pfeiffers Aktionen gegen ihn gewusst, aber vor einem Untersuchungsausschuss falsch ausgesagt hatte.

Die Barschel-Pfeiffer-Schubladen-Affäre hat das Klima zwischen den Parteien über Jahre vergiftet – und Kiel den Ruf einer besonders glitschigen politischen Schlangengrube eingebracht.

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