Schlepper an Bord des Flüchtlingsschiffs: Fluchtwege versperrt
Ein Überlebender der Katastrophe vom Sonntag berichtet, an Bord seien mehr als 900 Menschen gewesen. Das UNHCR zweifelt, ob das möglich ist.
ROM taz | Womöglich nicht 700, sondern mehr als 900 Tote hat der Untergang des Flüchtlingsschiffs gefordert, der sich in der Nacht von Samstag auf Sonntag auf dem Mittelmeer zwischen Libyen und Malta zugetragen hat. Dies berichtete ein 32-jähriger Mann aus Bangladesch, der als erster Überlebender am Sonntag von einem Hubschrauber ins sizilianische Catania gebracht und dort in ein Krankenhaus eingeliefert worden war.
Der Bangladescher gab an, auf dem gekenterten Fischkutter hätten sich insgesamt etwa 950 Personen befunden, unter ihnen 40 bis 50 Kinder und 200 Frauen. Schon bei der Abfahrt aus einem Hafen 50 Kilometer von Tripolis sei klar gewesen, dass viel zu viele Passagiere an Bord waren.
Die bewaffneten Schlepper hätten viele gezwungen, dicht gedrängt unter Deck Platz zu nehmen. Dann hätten sie die Türen nach oben versperrt – und damit jede Fluchtmöglichkeit. Gesichert sind diese Angaben jedoch nicht. UNHCR-Sprecherin Carlotta Sami meldete Zweifel an, ob es physisch überhaupt möglich ist, so viele Menschen an Bord eines 20 bis 30 Meter langen Boots unterzubringen.
„Help help, we are too many on the boat“ – „wir sind zu viele auf dem Boot“: Dies waren nach einem Bericht der Tageszeitung La Repubblica die Worte des Alarmrufs, der am Samstagnachmittag bei der italienischen Seenotrettungszentrale eingegangen war. Nachdem die Besatzung des zu dem gekenterten Kutter dirigierten langen Containerschiffs „King Jacob“ unmittelbar nach dem Unglück nur 28 Menschen retten konnte, blieb der Rest der Rettungsaktion völlig erfolglos.
Flüchtlinge werden vernommen
Zwar befanden sich schließlich insgesamt 17 Schiffe am Unglück, doch sie konnten keinen einzigen Überlebenden mehr retten; die Besatzungen berichteten von zahlreichen im Wasser treibenden Leichen.
Die Geretteten ebenso wie die Toten wurden an Bord des italienischen Küstenwachschiffs „Gregoretti“ genommen, das am Montag zunächst im Hafen von Malta anlegte, wo die Leichen an Land gebracht wurden. Anschließend nahm das Schiff mit den Überlebenden Kurs auf Catania. Ersten Angaben zufolge sollen die Flüchtlinge aus Somalia, Eritrea, Mali, Senegal, Ghana, der Elfenbeinküste, Sierra Leone, Bangladesch und Surinam stammen. Sie sollen bald vernommen werden – auch um Gewissheit über die Opferzahl zu erhalten.
Die Nachrichtenagentur Reuters meldet, nach Angaben der griechischen Küstenwache sei ein Segelboot mit Dutzenden Flüchtlingen an Bord vor der Insel Rhodos auf Grund gelaufen. Mindestens drei Insassen, darunter ein Kind, seien ertrunken, mehr als 90 hätten gerettet werden können.
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