Schlechte Geschenke zu Weihnachten: Vom Geben falscher Gaben
Huch, schon Weihnachten und noch kein Geschenk? Wie wäre es mit Seife? Lieber nicht! Vier Abrechnungen mit Verlegenheitsgeschenken.
Oh toll, ein Gutschein
Schon an der Verpackung ist klar: Es muss sich um Symbolisches handeln. Geld womöglich, aber wer schenkt noch Geld. Zu old school. Wenn, dann müssten es Bitcoins sein. Da jedoch blicken nur die Nerds durch und machen einen Reibach und die etablierte Geldwirtschaft warnt, weil sie die Konkurrenz fürchtet wie der Teufel das Weihwasser. Huch, es könnten die Falschen zu Geld kommen, solche Schmarotzer, die ihnen dann die Provisionen wegnehmen. (Man scheut sich in der Branche nicht, die Fakten zu verdrehen.) Ihre Szenarien jedenfalls beschwören den Niedergang des Kapitalismus und schüren Angst.
Aber keine Sorge, in diesem Umschlag sind keine Bitcoins, in diesem Umschlag ist das virtuelle Geld schon in ein echtes, am Kapitalmarkt vertretenes, börsennotiertes Unternehmen investiert. Es ist nämlich ein Gutschein. Vom Hornbach Baumarkt. 20 Euro. Oh, danke.
Ach Gott, ein Gutschein. Und dann so einer. Du bekommst ihn und weißt nicht, was es bedeutet. Ist es eine Aufforderung, einen Eimer Farbe zu kaufen und den seit zwanzig Jahren nicht mehr gestrichenen Flur zu verschönern? Und wenn nicht, dann doch eine, sich vernünftiges Werkzeug zu kaufen (für 20 Euro?), eine vernünftige Rohrzange vielleicht, damit du beim nächsten Mal den Siphon richtig abkriegst, wenn er wieder verstopft ist?
Dieser Text stammt aus der taz am wochenende. Immer ab Samstag am Kiosk, im eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo. Und rund um die Uhr bei Facebook und Twitter.
Die Sache mit Geschenken an sich ist schon heikel. Aber die Sache mit den geschenkten Gutscheinen ist noch heikler. Beim Geschenk bekommt der Schenkende am Gesichtsausdruck gleich eine Resonanz (meistens eine positive, denn heute sind alle gut erzogene Schauspieler). Bei Gutscheinen indes hängt die Resonanz in der Warteschleife. Selbst Leute, die DIY hassen wie die Pest, könnten sich bei Hornbach ja eine Blume kaufen. Nur, warum schenkt der Schenkende dann nicht gleich die?
Es ist vertrackt. Unlösbar. Aussichtslos. Schenken Sie, was Sie wollen. Bloß keine Gutscheine. In der Regel gucken sich die Beschenkten den an, „toll, super, cool, großartig, fantastisch, hammermäßig“, stecken ihn mit einem Magneten an den Kühlschrank, und wenn sie ihn wieder mal anschauen, sind drei Jahre rum und er ist verfallen. Waltraud Schwab
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Krass, eine Seife
Elf Seifen besitze ich. Mit einer Freundin habe ich sie gezählt, wir haben acht im Badschrank gefunden, zwei in der Dusche und eine, die echt in Benutzung ist und in einer erwachsen-hölzernen Seifenschale auf dem Waschbecken liegt. Die meisten sind hübsch verpackt, sie tragen Blüten und Schnörkel und riechen klassisch, nach Zitrone oder Rosen. Eine ist aus Gemüse und von meiner Schwester. Die beiden, die „Bonne Mère“, also „Gute Mutter“, heißen, sind von meiner Mutter. Die, bei der meine Freundin fragt, „und von wem ist die Billo-Seife?“ – eine Nivea in angegrauter Schachtel – ist von meinem Exfreund. Sie lag vor etwa vier Jahren im Adventskalender.
Für sich betrachtet ist die Seife, finde ich, eine gute Sache. Sie erscheint in pastellenen Farben, häufig rundeckig und sie liegt angenehm weich in der Hand. Sie erscheint in Hotelbädern und als Souvenir aus der Provence, aus Süditalien, vom Toten Meer, sie ist der Weltenbummler des Badezimmers.
Und doch ist ihre Botschaft so klar wie das Wasser, mit dem sie sich mischt: Wasch dich. Bitte gründlich. Am besten sofort. Die Seife ist eine Hygieneaufforderung, und besitzt man sie elffach und eigentlich lieber Duschgel – glauben Sie mir, liebe Schenkenden –, dann erfüllt der Verbrauch jeder einzelnen mit Stolz. Man schrubbt, spült und hofft, doch der Weg bleibt lang und nass. Es sei denn natürlich, man kennt hilfsbereite Menschen. „Was mache ich mit dem Zeug?“, frage ich meine Freundin, während wir einen Seifenturm bauen. „Gib sie mir“, sagt sie. Sie hat ein großes Haus und hohen Duftbedarf. Annabelle Seubert
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Algohol, vieln Danggauch!
Schnapspralinen, damit hat alles angefangen. Oder war es doch eher umgekehrt: Jemand kam auf die Idee, Schokoladenbatzen mit Schnaps zu füllen, damit man mal eine andere Transportvariante für den zu schenkenden Alkohol hat?
Alkohol schenken! Meine Eltern haben den ganzen Keller voll mit Schnaps, weil weder sie noch sonst jemand in der Familie je im Leben solche harten Alkoholika zu sich genommen hat, dies aber der einfallslosen Schenkwut der Leute keinen Abbruch getan hat. Ein ganzes Fass voller Pflaumenschnaps steht herum, in Flaschen gefüllt sind Schnäpse aus Birnen und sonstigem Obst und verstauben.
Völlig in Ordnung, Alkohol mitzubringen, wenn danach verlangt wird – also dann, wenn man zu einer sogenannten Bottle-Party eingeladen ist. Aber fiese (und dann noch überteuerte) Discounter-Plörre aus dem „Spätshop“ oder von der „Tanke“ als Gast,- Geburtstags- oder gar WEIHNACHTSGESCHENK bitte nicht. Gerade solche Gaben sind es doch, die den Teufelskreis des Alkoholschenkens durch die Unsitte des blinden Weiterschenkens noch befeuern.
Wein schenken, das ist nur erlaubt, wenn nachweislich auch eine Eigenleistung erbracht wurde: Im Morgengrauen im Moselsteilhang gestanden, um bei Temparaturen unter null Resttrauben von den Rebstöcken zu pflücken? Barfuß in Binissalem den Saft aus den Früchten getreten? Den Winzersekt bei Mondschein handgerüttelt?
Die raue Wirklichkeit des Gebens sieht ganz anders aus: Sanddornlikör aus Rostocker Hinterhöfen, Danziger Goldwasser, „Bärenklau“-Verdauungsschnaps mit vergorenem Honig aus Görlitz und, wenn es ganz schlimm kommt, Pseudo-Originalgetränke wie „Original Berliner Luft Kümmelschnaps“ aus dem Ampelmännchen-Shop.
Also wirklich nicht. Schenkt doch einfach mal andere Drogen! Kölner Koks, Scheeßeler Shit, Potsdamer Piece und Leipziger Liquid Ecstasy in mundgeblasener Originalkaraffe. Marburger Meskalin und Rügenwalder Ritalin, originalverpackt in historischer Holz-Geschenkbox. Alles andere hält man ja nur noch besoffen aus. Martin Reichert
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Endlich, ein Notizbuch
Zwei Weihnachtsgeschenkpersönlichkeiten gibt es: Die eine verfügt über grandiose Geschenkstrategien, die andere nicht. Leute vom Typ 1 wissen genau, was sie schenken und scheuen sich auch nicht vor Wiederholungen. Von ihnen bekommt die Großmutter jedes Jahr aufs Neue einen Bilderrahmen samt Foto der Enkel, die Mutter wiederum eine eigens zusammengestellte CD mit Schlagern ihrer Zeit. Das Repertoire ist grenzenlos.
Leute vom Typ 2 haben es dagegen schwerer. Man könnte sie auch „die Aufschieber“ nennen. Sie kapitulieren vor der Warenflut.
Und was schenken sie am Ende? Was Neutrales, etwas, das sie im Supermarkt finden: ein Notizbuch. Die gibt es in mannigfaltigsten Ausführungen, und genauso mannigfaltig sind die Begründungen der Geschenkwahl: „Du sagt so viele kluge Sachen am Tag – das musst du sammeln“, ist eine Begründung. Oder: „Damit du nicht nur siehst, sondern auch behältst.“ Oder: „Damit du nicht allein mit deinem Geist bist.“
Natürlich kann man Notizbücher als klassische Verlegenheitsgeschenke abtun. Doch nur weil sie einfach zu beschaffen sind, verdienen sie keinen stillen Platz in der Weihnachtsschublade. Selbst ein Standardnotizbuch beinhaltetet doch das Individuellste, was es gibt: die eigenen Gedanken. Das Notizbuch ist der König der Verlegenheitsgeschenke. Denn die sich daraus entwickelnden Möglichkeiten sind grenzenlos, und gut gemeint ist es auch: Es könnte den verschlafenen Poeten, den gesuchten Therapeuten oder benötigten Freund im Beschenkten wecken. Das ist sehr viel. Aron Boks
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