Schlangen als Haustiere: Özdemirs Exoten-Bann
Der grüne Agrarminister will Tiere wie Schlangen oder Chamäleons aus Haushalten verbannen. Dabei sind Katzen aus Tierschutzsicht viel schlimmer.
Smells like Veggie Day: Da ist es ja wieder, das von den Grünen mühsam bekämpfte Bild der Verbotspartei, die in einer Mischung aus gefühlter moralischer Überlegenheit, Oberlehrerattitüde und Standesdünkel anderen Menschen jenseits der eigenen Kernklientel vorschreiben will, was sie zu tun und zu lassen haben – oder zu halten. Konkret: Mit welchen Tieren sie sich die eigenen vier Wände teilen dürfen. Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir sagte in einem Interview mit der Neuen Berliner Redaktionsgesellschaft: „Warum braucht jemand anspruchsvoll zu haltende exotische Tiere wie Schlangen oder ein Chamäleon zu Hause? Das habe ich nie verstanden.“
Das sind so Fragen. Da könnte man endlos weitersinnieren. Wozu braucht man Stadien, in denen Zehntausende anderen Leuten dabei zuschauen, wie sie Leibesertüchtigung betreiben? Wozu Ohrringe, Broschen oder Ketten? Make-up oder Rhabarberbrause? Oder, um an die Schmerzgrenze des Unverständlichen vorzudringen, wozu Rote-Beete-Smoothies, Globuli oder Bachblütenessenzen? Versteht ja auch kein Mensch, wenn man nicht zufällig zu eben der Gruppe zählt, die das aus diesen oder jenen Gründen spannend, ästhetisch oder sonst wie ansprechend findet – oder die irgendeinem Wunderglauben aufsitzt.
Um es aufzuklären: Menschen beschäftigen sich mit Schlangen oder Chamäleons, weil sie diese Tiere interessant und faszinierend finden und große Freude daran haben, sich mit ihnen zu beschäftigen. Es gibt sogar Leute, die mit Leidenschaft Vogelspinnen, Höhlenasseln oder Riesenkakerlaken halten. Wo die Liebe eben hinfällt. Wird Özdemir sicherlich auch nicht verstehen.
Nun wäre sein Unverständnis achselzuckend abzuhaken, stünden dahinter nicht blankes Ressentiment gegenüber Menschen, die anders ticken als man selbst, und die Lust, alles wegzuverbieten, was über den eigenen Terracotta-Tellerrand reicht. Denn der Minister erhebt eine handfeste politische Forderung und schlägt eine sogenannte Positivliste vor, auf der dann die Tiere stehen sollen, die man zu Hause noch halten darf. Was im Umkehrschluss bedeutet, dass alle anderen eben verboten wären. Schlangen und Chamäleons, so darf man den Minister wohl verstehen, wären sicher nicht erfasst.
Golden Retriever kosten mehr
Özdemir erhebt seine Forderung angesichts der Probleme von Tierheimen, sogenannte exotische Tiere unterzubringen. Nun gibt es diese Probleme zweifellos, aber sie sind quantitativ gering im Vergleich zu all den Hunden und Katzen, die die Tierheime vollmachen und den paar Schlangen oder Geckos den Platz wegnehmen (dass es jenseits einer Handvoll Exemplare in wenigen Spezialeinrichtungen überhaupt irgendwo Chamäleons in Tierheimen gibt, darf getrost bezweifelt werden). Ein Verbot der Hunde- oder Katzenhaltung wird trotzdem nicht gefordert.
Hinzu kommt, dass die üblicherweise in Privathaushalten gepflegten Schlangen eben alles andere als besonders anspruchsvoll in der Haltung sind, zumindest nicht verglichen mit „normalen“ Haustieren. Wer den Pflege-, Zeit- und Finanzaufwand betrachtet, den man zur tiergerechten Betreuung beispielsweise eines Golden Retrievers betreiben muss, der müsste sich unter diesen Aspekten alternativlos für die Anschaffung einer Kornnatter oder eines Königspythons entscheiden. Von den ökologischen und epidemiologischen Problemen, die frei durch die Gegend streifende, Vögel und Eidechsen fressende sowie Toxoplasmose superspreadende Katzen verursachen, mal ganz zu schweigen.
Positivlisten für die Heimtierhaltung sind eine uralte Forderung, die vor allem aus Kreisen kommt, die der Haltung von Wildtieren ohnehin skeptisch bis ablehnend gegenüberstehen. Das häufig angeführte Tierschutzargument wirkt allerdings reichlich vorgeschoben. Denn die Arten, bei denen es tatsächlich gehäuft zu Problemen kommt, sind wenig überraschend die klassischen Haustiere und unter den sogenannten Exoten gerade diejenigen, die besonders populär sind und sicherlich auch auf den Positivlisten landen würden. Denn natürlich gibt es längst auch unter Fischen und Reptilien echte Heimtiere, die in großer Stückzahl und in Hunderten Farbvarianten gezüchtet werden.
Privater Artenschutz
Aus Artenschutzsicht wurde für Positivlisten angeführt, dass die Überwachung einer überschaubaren Zahl an erlaubten Arten einfacher sei als die von vielen Tieren, die geschützt oder aus Gründen wie Gefährlichkeit auf den bislang üblichen Negativlisten geführt werden. Aber ist ein womöglich vereinfachter behördlicher Vollzug ein hinreichender Grund, etwa sechs Prozent der deutschen Haushalte, in denen Aquarien und Terrarien stehen, die Haltung Tausender Arten zu verbieten?
Zum Erliegen käme mit einer Positivliste vor allem die biologisch interessierte oder dem Artenschutz verpflichtete private Tierhaltung. Dutzende Fisch- und Amphibienarten leben mehr oder weniger nur noch in den Becken privater Liebhaber, weil ihr Lebensraum in der Natur längst zerstört ist. Angesichts der galoppierenden Biodiversitätskrise ist die vorläufige Rettung zahlreicher Spezies nur durch Erhaltungszuchten in menschlicher Obhut möglich. So bewahrt man die Option, die Tiere später wieder ansiedeln zu können, wenn in den natürlichen Lebensräumen hoffentlich Schutzmaßnahmen durchgesetzt wurden.
Die schiere Zahl der vom Aussterben bedrohten Arten verlangt nach einer erheblichen Ausweitung der Haltungskapazitäten. Zoos allein können das gar nicht leisten. Weshalb sie inzwischen auch den Schulterschluss mit privaten Haltern suchen, die mit viel Enthusiasmus, Wissen und zeitlichen wie finanziellen Ressourcen helfen, auch wenig bekannte Arten zu erforschen und zu erhalten. Genau diese für den Artenschutz unverzichtbare Privathaltung aber würde mit Positivlisten ausgelöscht – und mit ihnen sicherlich auch die eine oder andere Schlangen- oder Chamäleonart. Aber klar, wer braucht die schon?
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