piwik no script img

Schlagerkönig im Biergarten

■ Das zum Silbersee ergraute „Comeback für Freddy Baker“ (20.15 Uhr, ARD)

Ohne Rex Gildos Selbstmord hätte man den Film sicher unvoreingenommener, ja geradezu gutgläubig genießen können

„Es gibt viele schöne peinliche Szenen im Film. Den Auftritt im Biergarten zum Beispiel. Im wirklichen Leben wäre das für einen Künstler vernichtend.“

(Dieter Birr von den Puhdys)

Typen wie Freddy Baker wünscht man, dass sie auf der Bühne sterben. Aber das wirkliche Leben ist selten so gnädig. Manchmal bleibt nach den Biergärten nur noch das Badezimmerfenster.

Wäre in den letzten Monaten nicht so ausführlich über den tragischen Freitod von Rex Gildo berichtet worden, könnte man Matti Geschonneks „Comeback für Freddy Baker“ sicher unvoreingenommener, ja geradezu gutgläubig genießen. Denn sein Held ist eine beruhigend depressionsfreie Fiktion, nur seine Jugendvita ähnelt der des notorischen „Hossa“-Königs.

Jetzt hat der Schlagerkönig Freddy Baker die besten Jahre hinter sich. Der Erfolg blieb aus, als sich die grauen Haare einstellten. Dennoch wird uns der Loser als durch und durch starker Typ offeriert. „Nur wo es ein unten gibt, gibt es auch oben“, fasst er seine ostentativ positive Weltsicht zusammen. „Fallen ist keine Schande. Aber liegen bleiben“, lautet sein gnadenloses Lebensmotto.

Zurückgekehrt aus dem fernen Amerika, wo die Geschäfte zuletzt auch nicht mehr wirklich gut gingen, versucht der Spätheimkehrer gemeinsam mit seiner Band (special guests: die Puhdys) in seiner alten Umgebung wieder Fuß zu fassen. Aber Freddys Agent (ältere Zuschauer unter uns freuen sich auf ein kurzes Wiedersehen mit Ernst „Erkennen Sie die Melodie?“ Stankovski) geht in den Ruhestand, die Groupies von einst sind zum Silbersee ergraut, die große Deutschlandtournee platzt. Eigentlich müsste der alte Schlagersänger nun die Rente antreten, aber wer kann schon nach 40 Jahren Bühne einfach so aufhören?

Mario Adorf ist sich nicht zu schade, seinem antiquierten Charmeur Freddy auch die nötigen tragikomischen Züge mitzugeben. Da ist das eitel wehende graue Haar, der alberne Schnauzbart, das glitzernde Sakko. Und doch scheut sich die Story von Hannah Hollinger, jene Tragik wirklich herauszuarbeiten, die zwangsläufig entsteht, wenn einer nicht aufhören kann. Wo das „wirkliche Leben“ den Rampensäuen die Biergärten und Möbelschauen als letzte Stationen der Würdelosigkeit bereithält, wird im „Comeback für Freddy Baker“ die übergroße Steherqualität noch mit Vitalität und Virilität (!) belohnt. Denn Mario Adorfs Freddy vernascht beileibe nicht nur ältere weibliche Fans, sondern hat sogar Schlag bei der jungen Freundin seines Sohnes. Der – wunderbar gefühlsecht gespielt von Felix Eitner – darf als versoffener und verzagter Lederjackenrocker viel weniger in diese „Haste was, biste was“-Zeiten passen als sein willensstarker, aber doch in Wahrheit musikalisch und sexuell hoffnungslos abgehängter Vater.

Diese Geschichte passt in das Fernsehen von heute. Sie mag sich nicht entscheiden, ob sie Drama oder Märchen sein, wahres Schicksal oder Pal-Color-Wunder erzählen will.

So können die atmosphärischen Bilder und stimmungsvollen Szenerien von Matti Geschonnek auch keine gemeinsame Mitte (geschweige denn Tiefe!) finden. Mal schwanken sie in Richtung dynamische Satire, mal gen altersweises Vater-Sohn-Rührstück. Inmitten dieses Potpourris schunkelt ein Mario Adorf mit, der einerseits mit seiner gesammelten Schauspielerfahrung überzeugt, andererseits längst selbst den schweren Parfumduft der Alterseitelkeit verströmt.

Adorfs „Man darf nie aufgeben“-Freddy watet dann eben doch nie durch den Dreck. Hätte man versucht, der Wahrheit die Ehre zu erweisen, müsste sich die Rampensau doch etwas mehr beweisen. Klaudia Brunst

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen