Schlag gegen Opposition in Indien: Modi-Rivale ausgeschlossen

Der Oppositionsführer Rahul Gandhi hat sein Mandat wegen Verleumdung verloren. Das soll die Opposition schwächen, kann sie aber auch einen.

Fan von Rahul Gandhi mit einer Maske von ihm und zwei Schildern zur Unterstützung von ihm in der Hand in Delhi.

Ein Rahul-Gandhi-Unterstützer mit einer Maske von dessen Gesicht und zwei Plakaten in Delhi Foto: Altaf Qadri/ap

MUMBAI taz | In Indien ist es am Wochenende zu Protesten gegen die Aberkennung des Parlamentsmandates des Oppositionsführers Rahul Gandhi von der Kongresspartei gekommen. Besonders wütend waren die Proteste in Gandhis Wahlkreis in Wayanad im südlichen Kerala. Aber auch in der Hauptstadt Delhi rumort es, seitdem der Ex-Vorsitzende der Kongresspartei am Donnerstag von einem Gericht wegen Verleumdung zu zwei Jahren Haft verurteilt wurde.

Im Wahlkampf 2019 hatte Gandhi in Anspielung auf den flüchtigen Geschäftsmann und Betrüger Nirav Modi, auf den flüchtigen Sportfunktionär Lalit Modi und mit Blick auf Premierminister Narendra Modi polemisch gefragt: „Wie kann es sein, dass alle Diebe den Nachnamen Modi tragen?“

Nach der Verurteilung in Gujarat, Heimatstaat des Premierministers Modi von der hindunationalistischen Volkspartei BJP, wurde die Strafe gegen den 52-jährigen Gandhi zwar gegen Kaution ausgesetzt. Doch verlor er am Freitag seinen Sitz im Unterhaus.

Geklagt hatte ein BJP-Politiker, der ebenfalls Modi heißt. Gandhi habe alle Modis und damit Menschen aus einer unteren Kaste beleidigt, polterte die BJP.

Die Kritik folgte: „In Premier Modis ‚Neuem Indien‘ sind Oppositionsführer zur Zielscheibe der Regierungspartei BJP geworden!“, twitterte Westbengalens Ministerpräsidentin Mamata Banerjee. Sie spricht von einem Tiefpunkt für die Demokratie.

Tamil Nadus Ministerpräsident Muthuvel Karuna­nidhi Stalin ging einen Schritt weiter: „Die Disqualifizierung von Rahul Gandhi als Abgeordneter, bevor er Berufung einlegen konnte, ist ein Todesurteil für die Demokratie“, twitterte er. Was im Land passiere, sei gefährlich.

Und der Ministerpräsident des Haupstadtterritoriums Delhi, Arvind Kejriwal von der Anti-Korruptionspartei AAP, erklärte: „Indem sie die Opposition ausschalten, wollen diese Leute ein Umfeld schaffen, in dem es nur eine Nation und eine Partei gibt – das nennt man Diktatur.“

Er und seine Partei bekamen selbst schon den starken Einfluss von Modis hindunationalistischer Regierung zu spüren. Zwei ehemalige AAP-Minister sitzen derzeit im Gefängnis. Kejriwal selbst sah sich auch schon Verleumdungsklagen ausgesetzt. Doch verloren Abgeordnete ihr Parlamentsmandat bisher meist nur bei Mord, Vergewaltigung oder Korruption.

„Ich habe Angst in den Augen des Premiers gesehen – er hat Angst vor meiner nächsten Parlamentsrede über Adani“, behauptete Gandhi. Er kritisierte damit Modi für dessen Nähe zum Geschäftsmann Gautam Adani. Dieser war kürzlich in einen Finanzskandal geraten. Im Unterhaus zeigte Gandhi vor seinem Ausschluss ein gemeinsames Foto von Modi mit Adani, die beide aus Gujarat stammen.

Gandhis Disqualifikation könnte ihn für acht Jahre von Wahlen und damit von einer Kandidatur bei den nächsten Parlamentswahlen im Frühsommer 2024 ausschließen, setzt nicht bald ein höheres Gericht seine Verurteilung aus. Auch wird Gandhi Privilegien verlieren. „Ich kämpfe für die Stimme Indiens und bin bereit, jeden Preis zu zahlen“, war bisher seine Antwort.

Er musste schon viele Niederlagen vor allem gegenüber Modi einstecken. Als Sohn des ermordeten Premiers Rajiv Gandhi und Enkel der ermordeten Premierministerin Indira Gandhi lasteten stets hohe Erwartungen auf ihm, die er bisher nie erfüllte. Trotzdem wurde er zur beliebten Zielscheibe der Hindunationalisten.

Nachdem er kürzlich drei Monate lang öffentlichkeitswirksam durch Indien marschierte, stieg sein Ansehen. Dabei hatten nur Teile der Opposition seinen „Marsch zu Indiens Einheit“ unterstützt. Seine Verurteilung birgt jetzt die Chance, dass sich die zerstrittene Opposition einigt.

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