Schiiten im Bekaa-Tal: Heute Syrien, morgen Libanon
Jenseits der Grenze tobt die „Entscheidungsschlacht“. Diesseits begräbt die Hisbollah ihre Gefallenen. Ein Besuch bei Libanons Schiiten.
BEKAA-TAL taz | Es gibt Dinge, die versteckt man lieber. Dazu gehören für die libanesisch-schiitische Hisbollah-Miliz die Begräbnisse ihrer Kämpfer. Besonders, wenn die nicht im „Widerstand“ gegen Israel gefallen sind, sondern in Syrien. Zwar rasen Krankenwagen mit Blaulicht und hupenden Autokonvois immer wieder durch die Hisbollah-Hochburg Baalbek und bringen die neuesten „Märtyrer“ aus der Schlacht um die Stadt al-Qusayr auf der anderen Seite der syrischen Grenze zu ihren Familien.
Inzwischen sollen über 30 Hisbollah-Kämpfer in Syrien ihr Leben gelassen haben. An diesem Nachmittag werden drei Gefallene zu Grabe getragen. Doch beim Versuch, den Begräbniszug mit der Handykamera zu filmen, kommen gleich Hisbollah-Sicherheitsleute in Zivil mit knatternden Funkgeräten herbeigestürmt, um einem das Handy aus der Hand zu reißen und die Aufnahmen zu löschen.
In gelben Hisbollah-Fahnen umwickelt, werden die Särge von gut 1.000 Menschen durch die Straßen Baalbeks getragen. Trommler gehen dem Zug voraus. Gefolgt von großen Porträts der iranischen Revolutionsikone Ajatollah Chomeini, dem gegenwärtigen iranischen Revolutionsführer Ali Chamenei, und natürlich Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah. Frauen huldigen Zeinab, der Enkelin des Propheten.
Das Begräbnis ist vor allem eines: ohrenbetäubend. Junge Männer ganz in Schwarz oder in Militärcamouflage entsichern ihre Kalaschnikows und leeren ihre Magazine in die Luft. Einer steht dabei auf einer schmalen Steinmauer und fällt durch den Rückstoß nach hinten, nimmt aber gerade noch rechtzeitig den Finger vom Abzug, bevor er aus Versehen auf den Beerdigungszug schießt. Die Sicherheitsleute haben mit solchen jungen Männern alle Hände voll zu tun. „Hebt euch eure Munition für den Feind auf!“, ruft einer. Der junge Mann feuert sein Magazin als Reaktion demonstrativ leer.
„Der Bürgerkrieg blüht uns morgen“
Für den lokalen Journalisten Hikmet Scharif ist das alles auch eine Botschaft an die sunnitischen Mitbewohner der Bekaa-Ebene, nicht auf die Idee zu kommen, die Macht der Schiiten infrage zu stellen. „Was wir heute in Syrien an Bürgerkrieg erleben, blüht uns morgen im Libanon.“
Die Schiiten des Libanon rücken zusammen – nicht nur die Hisbollah, die bei einem Sturz des syrischen Assad-Regimes ihren wichtigsten Sponsor neben dem Iran verlieren würde. „Saudi-Arabien, Katar, al-Qaida und radikale sunnitische Kämpfer befinden sich in Syrien gegen uns im Krieg“, ist der Tenor bei einer Diskussion am Abend in einem Haus in Baalbek.
Hier treffen sich liberale schiitische Mittelschichtler, die Frauen ohne Kopftuch, die Männer Whiskey trinkend. Hisbollahs Mission in Syrien stellt niemand infrage: Es geht weniger um eine Verteidigung des Assad-Regimes als um die eigene schiitische Existenz. Das Regime in Damaskus, egal was man von ihm hält, steht für sie als Bollwerk.
Eine gute Autostunde von Baalbek entfernt liegt al-Qasr, die nördlichste Ecke der libanesischen Bekaa-Ebene. Auf dem blauen Straßenschild zeigt ein Pfeil geradeaus und einer nach rechts, beide weisen zur syrischen Grenze. Die libanesische Bekaa-Ebene geht hier nahtlos in das syrische Hinterland von Homs über. Es ist keine natürliche Grenze auszumachen, kein Grenzzaun. Nur die Rauchsäulen, weniger als zehn Kilometer entfernt, zeigen an, dass hinten die blutige Schlacht um al-Qusayr tobt.
Dumpfe Schüsse und spielende Kinder
Auch dumpfe Schüsse einer Artilleriebatterie sind immer wieder zu hören. Die Kinder, die hier gerade aus der Schule kommen, scheint das nicht weiter zu stören. Sie toben, raufen und rennen. Bis hierher kommt man nur mit Genehmigung der libanesischen Armee. Wenige Kilometer zuvor in Hirmel war ein Offizier des Militärgeheimdienstes mit ins Auto gestiegen. Aber als in al-Qasr ein kleiner Lieferwagen den Weg abschneidet, wird schnell klar, wer hier das Sagen hat: „Die Partei“, erklärt der Armeeoffizier. Er meint die Hisbollah, die „Partei Gottes“. Jetzt muss erst mal telefoniert werden.
Nachdem „die Partei“ dem Besuch des Journalisten zustimmt, geht die Fahrt weiter über Feldwege bis zu einem Verschlag, über dem die offizielle syrische Fahne mit dem Antlitz Baschar al-Assads weht. Davor verläuft ein kleiner Bewässerungskanal: die Grenze zu Syrien. Sie lässt sich über einen Metallsteg leicht überwinden.
Eine Gruppe syrischer Regierungssoldaten hält eher gelangweilt auf der anderen Seite Wache. Ein paar kurze Worte der Vertreter „der Partei“, und der syrische Offizier gibt sich entspannt: Natürlich können wir hier filmen. Derweil fährt ein Motorrad über den Steg von der libanesischen zur syrischen Seite. „Das sind libanesische Bauern, die auf unserer Seite ihre Feld bestellen“, erklärt der syrische Offizier. Man kennt sich.
Über diese Grenze kommen die Hisbollah-Kämpfer zur Unterstützung des syrischen Regimes, und über solche Stege werden die Gefallenen wieder zurückgebracht. „Wenn wir diese Schlacht gewonnen haben, dann ist der Bürgerkrieg in Syrien vorbei“, glaubt der junge Begleiter der „Partei“ auf dem Rückweg.
„Wir kriegen euch auch noch“
Im wenige Kilometer entfernten libanesischen Hirmel ist vor Kurzem eine Rakete von der syrischen Seite in einem Gebäude eingeschlagen. „Sunnitische Granaten“, wie alle in al-Qasr überzeugt sind, zumal vor Wochen syrische Rebellen SMS-Botschaften über die Grenze schickten, mit dem Inhalt: „Wir kriegen euch auch noch.“ Zum Zeitpunkt des Einschlags saß der schiitische Automechaniker Yasseen Raschaini nebenan mit seinen Freunden vor seiner Werkstatt. „Wir haben die Israelis aus unserem Land vertrieben, wir werden auch mit diesem Problem fertigwerden“, sagt er.
Am Rand von Hirmel liegt ein christlicher Außenposten. Eine Kapelle steht auf dem „Hügel der Heiligen Jungfrau“, eine große Madonnenstatue blickt in Richtung Syrien. Von hier oben kann man die Artillerieeinschläge in der Ebene sehen, wie im Kino: schiitische Hisbollah gegen sunnitische al-Nusra. Dazu ziehen zwei israelische Kampfjets in großer Höhe ihre Kreise und hinterlassen weiße Streifen am Himmel.
Leser*innenkommentare
@Suse
Gast
Wie Realitätsfern und Medienglaübig muss man sein um solch ein Kommentar zu verfassen?
Nicht nur das die Fakten schwarz auf weiss selbst mittlerweile hier zu lesen und sehen sind sollten sie mal dort runterfahren.
Die gesamte Christliche Bevölkerung im Nahen Osten hat etliche male davor gewarnt diese sogenannten "Rebellen" zu unterstützen weil diese alle in Angst und Schrecken versetzt haben.
wenn sie keine psychischen Probleme bekommen bei dem Videomaterial der sogenannten "Rebellen" poste ich ihnen liebend gerne einige Links.
Hier erzählt man uns ja gerne das es schwierig bzw unmöglich sei an verlässliche Informationen zu kommen. Das Arabische,Chinesische,Russische, Südamerikanische,Pazifische Fernsehen ist voll davon.
Die Eu hat doch erst wieder beschlossen weiterhin Waffen zuliefern. Saudi Arabien gibt es doch offen zu ihr Geld für Waffen der EU zu verbraten. Wie können sie sich anmassen die Leute als Verschwörer zu betiteln? Genug Ölstaaten kaufen doch hier fleißig Waffen ein. Informieren sie sich diesbezüglich bevor sie wieder hier solch einen Text verfassen!
suse
Gast
manchmal fragt man sich woher all diese verschwörungsgläubigen mitbürger im jahr 2013 immer noch hervor kriechen. da gibt es ein strammes geschlossenes anti-westliches weltbild und die propagandistische wunschmaschine läuft auf hochtouren.
wenn dann jemand gegen den stumpfen antisemitismus von figuren die sich am höhepunkt ihrer hybris auch noch "kritische stimme" nennen, aufbegehrt, muss damit rechnen als nazi beschimpft zu werden. -- wie doof !--
es ist immer das selbe muster. wer ist schuld am krieg in syrien (sudan, kongo, indonesien, kolumbien ...) - weil assad, die hizbollah, islamischen oder ethnische milizen können es definitiv nicht sein - natürlich die juden, die briten und die amerikaner ...
kommt ihr euch nicht selber doof vor, solch hirnrissen kram zu schreiben?
toyak
Gast
Der braune Mehrdad ist wieder da.
Es ist einfach lächerlich, wenn Sie von Meinungsfreiheit sprechen, während Sie jeden, der etwas über die Politik Israels kritisch schreibt,als Antisemit abstempeln. In einer Diskussion ist ja von Stärke, wenn die Argumente die Person des Diskutierenden treffen.
mehrdad
Gast
"Der Buergerkrieg in Syrien ist von langer Hand geplant von...Israel...."
klar doch. und früher haben juden brunnen vergiftet.
ihre stimme ist mehr als kritisch. sie ist rotgrünbraun und sie haben nazi mundgeruch.
kennt ihr den witz:
typ A sagt zu typ B "an allem sind juden und radfahrer schuld!"
typ B fragt verwundert "wieso die radfahrer?"
mein letzter beitrag wurde mal wieder zensiert. finde ich komisch, wenn man bedenkt, wie weit die meinungsfreiheit hier geht, wenn es um billige antisemitische positionen der user geht.
Bernd Goldammer
Gast
Wenn man sich zum Artikel „Kussair unter Artillerie Beschuss“ äußern möchte, erscheint folgende Seite: Error 404 No such file
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Dabei wollte ich doch nur fragen, ob der TAZ auch bekannt ist dass das Bombenattentat vom 11. Mai in Reyhanli von der islamistische Al-Nusra-Front begangen wurde und das der türkische Geheimdienst lange vor der Straftat gegen die Zivilbevölkerung informiert war. Die Al-Nusra Front wird von den USA als terroristisch eingeschätzt. Sie gehört zur syrischen Aufstandsbewegung gegen die Regierung von Staatschef Baschar Al-Assad. Warum darf ich so etwas nicht in der TAZ lesen? An dieser Meldung ist nämlich alles echt: Die türkische Regierung selbst hat inzwischen eingeräumt, daß die von Online-Aktivisten veröffentlichten Geheimdokumente über den Anschlag vom 11. Mai in Reyhanli echt sind! Innenminister Muammer Güler erklärte jedoch, die Gruppe »Red Hack« habe die Papiere nicht durch einen elektronischen Angriff auf das Netzwerk der paramilitärischen Jandarma erlangt. Vielmehr seien sie ihr durch einen Militär zugespielt worden, der inzwischen verhaftet worden sei. Die militärischen Erfolge der Assad Regierung kommen mit Sicherheit auch daher, dass diese Kämpfer die gleiche Guerillataktik anwenden, wie es auf syrischem Boden bisher nur die Rebellen tun. Und ihre Motivation ist auch nicht zu unterschätzen. Für den entstandenen internationalen Flächenbrand sind aber nicht nur die vermeintlichen syrischen Rebellen allein verantwortlich. Auch Jene, die ihnen Sold und Unterhalt überwiesen haben und ihnen ihnen Waffen, Munition und Kommunikationstechnik bezahlten und ihre Propaganda abgedruckt haben. Wieso bildet Deutschland genau die Regierung aus, die der Kriegsplanung gemäß, Assad ablösen soll? Geschieht das im Namen des Deutschen Volkes? Ganz bestimmt nicht! Wir wollen das das syrische Volk frei entscheiden soll, von wem es regiert werden möchte. Deshalb braucht es zuerst mal Frieden. Egal ob es FDP-Westerwelle passt oder nicht.
DIE REDAKTION: Vielen Dank für den Hinweis bezüglich der Fehlerseite bei den Kommentaren, wir arbeiten an der Fehlersuche.
Kritische Stimme
Gast
Es gibt einen entscheidenden Unterschied zwischen Syrien+Libanon.Der Syrien-Buerger-Krieg ist bewusst entfesselt von Staaten ausserhalb von Syrien,waehrend diese Chance fuer Libanon aeusserst gering ist.Der Buergerkrieg in Syrien ist von langer Hand geplant von USA + Israel + Europa. Agenten + Kaempfer sind schon vor Jahren ausgebildet aus den Reihen von syrischen Aufstaendischen, bekannt mit Sprache + Situatie vor Ort. Die Kriegstreiber haben nie Gedacht dass der Assad mit Hilfe seiner Bevoelkerung solange standhalten wuerde.Deshalb muss jetzt etwas anderes passieren um Syrien unter Kontrolle zu bringen. Jetzt wird die Nato aktiviert, muessen in der Tuerkei Rakete aufgestellt werden, und findet man natuerlich Giftgas ALS Anlass fuer den Krieg (etwas aehnliches ALS in Irak). Warum tut man so verwundert ?,vielleicht haben die US+UK Giftgas an die Rebellen geliefert ,nach dem Irakdebakel will man Sicherheit
Kriegshetzer+Anstifter+Finanzierer des Syrienkrieges sollen vor Gericht
Wolfgang
Gast
Notwendige Bemerkungen, zu @ [24.05.2013 22.42 Uhr] "Hinwendung zur sozialen Marktwirtschaft" {...} *
* Hören wir doch auf mit diesem ideologischen Unsinn von medial bewusst falschen geistig-manipulatorischen Begriffen, wie: "Soziale Marktwirtschaft"! Es handelt sich um: Kapitalismus.
* Und beim ökonomischen, geopolitischen, militärischen und gesellschaftspolitischen Export dieser Ordnung um: Imperialismus.
* In den kapitalistischen Wirtschaftsmetropolen wie Deutschland 1933 bis 1945 handelte es sich um "staatsmonopolistischen Kapitalismus faschistischer Prägung". Heute handelt es sich um eine modifizierte (weiterentwickelte) Form des postfaschistisch-spätbürgerlichen Kapitalismus, um: "Staatsmonopolistischen Imperialismus deutsch-europäischer Prägung" (auch mit dem wirtschafts-, außenpolitischen und gesellschaftspolitischen Instrument für Schwellenländer, wie zum Beispiel für die VR China, dem sog. "Rechtsstaatsdialog". Der jeweilige "Rechtsstaatsdialog" ist ein gesellschaftspolitisches Instrument zur Konvergenz und (imperialistischen) wirtschaftspolitischen Ausrichtung und Übernahme von feudal-kapitalistischen Schwellen- und Entwicklungsländern.
Auch die NATO- und BND-Aktivitätten in Nahost, wie in anderen Weltregionen, dienen der ökonomischen, geopolitischen und gesellschaftspolitischen Ausrichtung und Beherrschung der jeweiligen Regionen, durch die staatsmonopolistischen kapitalistisch-imperialistischen Wirtschaftsmetropolen und Wirtschaftsvereinigungen, wie z. B. durch die Bundesrepublik Deutschland und (auch) deren Europäische Union.
Auch Syrien und Libanon werden auf die (rohstoff-)ökonomischen und geopolitisch-militärischen Bedürfnisse der Europäischen Union und deren NATO-Staaten (gesellschaftspolitisch) ausgerichtet, - auf die Herrschaftsinteressen des europäisch-amerikanischen Finanz- und Monopolkapitals (- der staatsmonopolistischen und imperialistischen Metropolen).
Sky
Gast
30 Gefallene werden als tausend Tote in Saergen durch die Strassen getragen?
Eine Redaktion leistet sich die taz jedenfalls nicht.
Heike Lindenborn
Gast
Krieg schafft Arbeitsplätze, auch bei uns (Rüstungsindustrie, Wiederaufbauhilfe...).
Sarkasmus aus
Krieg ist geil, Umweltschutz langweilig
Gast
Und weiter ein klares NEIN! Es ist kein Religionskrieg! Wer hier einen Relidionskrieg anstiften möchte das sind die unseligen Medien. Hier geht es um Macht der Westlichen Welt und ihrer Terrorfreunde. Jetzt wollen Sie den Libanon auch noch hineinziehen um Ihre Agenda durchzusetzen. Jeder Diktator ist Ihnen recht - es muss nur Ihr Diktator sein! Das ist nicht im Interesse der Menschen.
Ursache des Krieges sind: Hohe Bevölkerungsdichte (zunahme von 16 auf 22 Millonen in wenigen Jahren nach Irak Krieg) abnehmende Ernten (Dürre) in den letzten 10 Jahren. Wassermangel Türkei "klaut", Israel auch. Stadt - Land Konflikt ( Städter modern wie in Dt. und Land wie Mittelalter). Geheimdienst zu Mächtig, zu souverän ( konnte Assad bisher auch nicht ändern). Wegfall der Planwirtschaft, Hinwendung zur sozialen Marktwirtschaft.