Schiffer und Schleuser streiken: Ein Schiff in sechs Jahren gesichtet
Die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes protestiert gegen Personalabbau. Die Behörde ist aber dringend reformbedürftig.
BERLIN taz | Eine ganze Reihe von den 2.346 Binnenschiffen, die noch in Deutschland registriert sind, liegen inzwischen medienwirksam vor westdeutschen Schleusen und Kanälen fest. Grund ist ein gestern begonnener Streik bei der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes (WSV) in NRW, Baden-Württemberg, Niedersachsen, Bremen und Bayern.
„Die Schleusen bleiben zu bis zum Wochenende“, bekräftigte Ver.di-Sprecher Günter Isemeyer. Es sei denn, die Bundesregierung bewege sich. Die knapp 12.500 Mitarbeiter der WSV verlangen einen Tarifvertrag, der betriebsbedingte Kündigungen ausschließt und Umsetzungen nur mit Zustimmung der Betroffenen zulässt. 97 Prozent haben bei der Urabstimmung für den Ausstand gestimmt.
Hintergrund ist der Vorstoß von Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU), die Wasserstraßenbehörden umzustrukturieren. Dabei geht er allerdings so ungeschickt vor, dass er nicht nur die Beschäftigten, sondern auch Landesregierungen und Wirtschaftsvertreter gegen sich aufgebracht hat. So gründete er im Mai eine Generaldirektion in Bonn und disqualifizierte die zuvor weitgehend selbständigen Regionalbehörden zu weisungsgebundenen Außenstellen.
Mehrere Landesregierungen empörten sich. Der Nord-Ostseekanal könne ja wohl nicht von Bonn aus verwaltet werden, protestierte die Regierung in Kiel. Und im Osten der Republik sind viele Politiker erbost, dass die dortigen Flüsse größtenteils nur noch als Restwasserstraßen gelten sollen, nachdem sie seit der Wende für vier Milliarden Euro ausgebaut worden waren.
Dabei ist nicht zu bestreiten, dass die seit 140 Jahren existierende Wasser- und Schifffahrtsverwaltung dringend reformbedürftig ist. Gerade einmal fünf Prozent der Gütermengen werden heute in Deutschland noch über Flüsse und Kanäle transportiert, Ende der 90er-Jahre waren es immerhin noch 13,5 Prozent.
Manchmal kommt jahrelang kein Frachter
Auf vielen der 7.700 Kilometern Bundeswasserstraßen fährt tage-, manchmal sogar jahrelang, kein einziger Frachter mehr. Extremstes Beispiel ist der für 30 Millionen Euro ausgebaute Hafen in Halle an der Saale, wo 2011 nach sechs Jahren zum ersten Mal wieder ein einziges Transportschiff festmachte, um eine Gasturbine zu liefern.
Jahrelang argumentierten die Leute von der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung, der Hafen in Halle sei selbstverständlich keine Fehlplanung – nur fehle eben noch der Ausbau der Saalemündung, für den weitere 80 Millionen Euro Steuergelder einzukalkulieren seien.
Dass auf der dahinter liegenden Elbe ebenfalls kaum etwas transportiert wird, weil der Wasserstand nur an etwa hundert Tagen im Jahr für Europaschiffe ausreicht, ignorierten sie in ihren Wirtschaftlichkeitsberechnungen.
Auffällig oft holte sich die Behörde bei solchen Kalkulationen Unterstützung beim privaten Beratungsinstituts Planco in Essen, das regelmäßig die gewünschten Zahlen lieferte. So gelang es jahrelang, Milliarden Euro für Baumaßnahmen zu sichern. 2013 stehen 650 Millionen Euro Investitionsgelder zur Verfügung.
Neues Ungemach droht der WSV morgen: Dann entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über eine Klage des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) über den Ausbau der Weser. Die Chancen der Naturschützer stehen gut, dass das Vorhaben wegen Planungsfehlern gestoppt wird.
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