Schießerei bei Dalai-Lama-Feier: Das blutige Bildnis
Chinesische Polizisten feuern bei einer Feier zu Ehren des Dalai Lama in die Menge. Acht tibetische Gläubige werden schwer verletzt.
PEKING taz | Noch vor zehn Tagen ging das Gerücht herum, China sei bereit, Bilder des Dalai Lama in den Klostern auf Altaren wieder zuzulassen. Mehrere Tibetorganisationen hatten von Lockerungen in einigen tibetisch besiedelten Regionen der Volksrepublik berichtet. Die chinesische Regierung in Peking wiedersprach jedoch und betonte, das seit 17 Jahren geltende Verbot der Bilder des geistigen Oberhaupts der Tibeter sei weiter in Kraft.
Nun zeigt die chinesische Obrigkeit wie ernst sie dies meint: Am Dienstag ist bekannt geworden, dass chinesische Polizisten und Militäreinheiten am vergangenen Samstag auf eine Menschenmenge von Tibetern geschossen haben, weil sie den Geburtstag des Dalai Lamas begehen wollten. Tibetische Exilorganisationen und der US-Sender Radio Free Asia (RFA) berichten von mindestens acht schwerverletzten Tibetern.
Militärs sollen zwei Mönchen in den Kopf geschossen haben. Beide befinden sich in einem lebensgefährlichen Zustand. Zudem nahm die chinesische Polizei mindestens 20 Tibeter fest. Das Blutvergießen soll sich im überwiegend von Tibetern bewohnten Kreis Daofu in der Provinz Sichuan ereignet haben. Die International Campaign for Tibet (ICT) berichtet, die Tibeter hätten sich anlässlich des 78. Geburtstags des Dalai Lama am Fuß eines als heilig geltenden Berges versammelt.
„Sie begingen den Festtag auf traditionelle Weise, brannten Räucherwerk ab und warfen Gebetsfahnen in die Luft“, heißt es in dem Bericht der tibetischen Exilorganisation. Unter anderem hätten die Gläubigen auch das Bild des Dalai Lama gezeigt und Khatags umgehängt, traditionelle tibetische Segensschals. Daraufhin hätten Polizisten versucht, das Treffen der Tibeter aufzulösen.
Gerüchte über gelockerte Bestimmungen
Nachdem einige Tibeteter daraufhin hinwiesen, das Abbrennen von Räucherwerk stelle auch nach chinesischem Recht kein Verbrechen dar, habe die Polizei ohne Vorwarnung das Feuer eröffnet. Sie soll auch Tränengas gegen die Mönche und Nonnen eingesetzt haben. Seit Wochen kursieren Berichte, dass die chinesischen Behörden zumindest in einigen tibetisch bewohnten Regionen die Bestimmungen gelockert hätten und den Tibetern in der Ausübung ihres Glaubens wieder mehr Freiheiten zulassen wollten.
Seit 1996 gibt es in der Volksrepublik offiziell ein Verbot, das Bildnis des Dalai Lama zu zeigen, den die chinesische Führung als „Separatisten“ ansieht, der das Land spalten wolle. Jegliche Ehrerbietung des geistigen Oberhaupts ist den Tibetern untersagt. In der Autonomen Region Tibet selbst setzen die chinesischen Behörden dieses Verbot auch konsequent um.
In den umliegenden chinesischen Provinzen mit ebenfalls hohem tibetischen Bevölkerungsanteil hingegen schienen sie in den vergangenen Monaten aber weniger restriktiv vorgegangen zu sein. Zumindest an regulären Tagen wagten die Mönche und Nonnen, in den Gebetsräumen ein Bild des Dalai Lama aufzustellen. Für die Tibeter ist es umso schockierender, dass entgegen ihren Erwartungen die chinesischen Sicherheitskräfte nun auch in diesen Regionen rabiat durchgreifen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Anschlag auf Magdeburger Weihnachtsmarkt
Vieles deutet auf radikal-islamfeindlichen Hintergrund hin
Keine Konsequenzen für Rechtsbruch
Vor dem Gesetz sind Vermieter gleicher
Wahlprogramm von CDU und CSU
Der Zeitgeist als Wählerklient
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“