Schießerei an türkischer Universität: Täter galt als „schwierige Person“
An einer Uni in Zentralanatolien erschoss ein Doktorand vier Menschen. Er soll als Gülenist bekannt gewesen sein, habe aber immer andere beschuldigt.
An der Osmangazi Universität im zentralanatolischen Eskişehir wurden türkischen Medienberichten zufolge bei einem bewaffneten Angriff vier Menschen getötet. Der Universität zufolge soll der 37-jährige Doktorand Volkan B. am Donnerstagnachmittag gegen 15 Uhr am Institut für Erziehungswissenschaften mit einer mitgeführten Waffe den Vize-Dekan, die Sekretärin, einen wissenschaftlichen Mitarbeiter und einen Studierenden erschossen haben.
Beim Versuch, aus dem Gebäude zu fliehen, wurde der Täter vom Sicherheitspersonal überwältigt und festgenommen. Der Täter habe während der Tat seine Opfer angebrüllt, sie seien alle Gülenisten. Damit spielte er auf die von der türkischen Regierung als Terrororganisation eingestufte Gülenbewegung an. Auch stellte sich heraus, dass Volkan B. seit geraumer Zeit Mitarbeiter der Universität beschuldigt habe, Mitglied in der „Terrororganisation Fetö“ zu sein und gegen diese vor Gericht ausgesagt habe.
Ayşe Alpay, wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Osmangazi Universität, hat in einem Interview mit der türkischen Nachrichtenagentur Doğan das Rektorat für die Tat mitverantwortlich gemacht. „Seit anderthalb Jahren beschweren wir uns über Volkan B. Er wurde von der Universität gedeckt. Und wer zahlt jetzt den Preis? Sie haben nichts gegen ihn unternommen. Wäre ich heute an der Universität gewesen, hätte er als erstes mich umgebracht.“
Alpays Ehemann habe wegen der Falschanschuldigungen von Volkan B. seinen Job verloren und sei fünfeinhalb Monate zu Unrecht im Gefängnis gesessen. Eigentlich sei Volkan B. als Gülenist bekannt gewesen, so Alpay, doch er habe ständig andere damit beschuldigt.
Uni-Betrieb für einen Tag eingestellt
Der Universitätsrektor Hasan Gönen äußerte bei CNN Türk, dass der Täter „eine schwierige Person“ sei. Trotz eines Disziplinarverfahrens durch die Universität und polizeilicher Ermittlungen aufgrund von Verleumdung arbeitete er weiterhin an der Universität.
Nach der Schießerei wurde der Universitätsbetrieb für einen Tag ausgesetzt. Der Täter wurde zur Aussage in das städtische Polizeipräsidium gebracht.
Seit dem Putschversuch in der Türkei im Juli 2016 wurden Tausende Menschen wegen des Vorwurfs der Mitgliedschaft in der gülenistischen Terrororganisation Fetö aus ihren Jobs entlassen, angeklagt und verhaftet.
Als Fetö bezeichnet die türkische Regierung die Bewegung um den in den USA lebenden Prediger Fethullah Gülen. Die Organisation wird in der Türkei für den Putschversuch verantwortlich gemacht und als Terrororganisation eingestuft.
Staatspräsident Erdogan hatte nach dem Putschversuch die türkischen Bürger wiederholt dazu aufgerufen, ihnen bekannte Gülen-Mitglieder der Staatsanwaltschaft zu melden. Dies entspreche der „Pflicht eines jeden guten Bürgers“.
Übersetzung: Canset İçpınar
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