Schicksalswahltag in Simbabwe: Wer ist der bessere Nicht-Mugabe?
Bei der ersten Wahl ohne Mugabe ist das Ergebnis völlig offen. Aber afrikanische Befreiungsbewegungen sind notorisch schwer zu entmachten.
Es gibt mehr als 100 politische Parteien und 23 Präsidentschaftskandidaten – beides ein Rekord. In den sozialen Medien sind nur noch die Wahlen Thema, und sogar Simbabwes Kirchen sind zum Stillstand gekommen: religiöse WhatsApp-Gruppen diskutieren nicht über das Evangelium, sondern über die Wahlchancen von Präsident Emmerson Mnangagwa und Oppositionsführer Nelson Chamisa.
Besonders heiß ist die Debatte, seit Expräsident Mugabe in einem Interview in seiner Privatresidenz am Sonntag ankündigte, er werde nicht für Mnangagwa stemmen, obwohl dieser der Kandidat seiner Partei Zanu-PF (Zimbabwe African National Union/ Patriotic Front) ist. „Ich kann nicht für die wählen, die mich gequält haben“, sagte Mugabe. „Ich hoffe, dass die Wahl die Militärregierung beseitigen und das Land zurück zur Normalität führen wird.“
Dies hat Spekulationen genährt, wonach der greise Mugabe jetzt die Oppositionspartei MDC (Movement for Democratic Change) von Nelson Chamisa unterstützen könnte. „Falls er gewinnt, wünsche ich ihm alles Gute“, sagte Mugabe.
Parteiinterne Machtkämpfe
Mnangagwa und Chamisa sind beide neu als Führer ihren jeweiligen Parteien, und beide verdanken ihren Aufstieg parteiinternen Machtkämpfen. Seit Mnangagwas Machtübernahme hat ZANU-PF eine Säuberung von Mugabe-Getreuen erlebt.
Bei der MDC drängelte sich Chamisa nach dem Krebstod des Parteigründers Morgan Tsvangirai vor dessen Stellvertreterin Thokozani Khupe. Es ist keineswegs sicher, dass die beiden Wahlfavoriten auch ihre jeweilige Basis hinter sich haben.
Der 40jährige Chamisa hofft auf Simbabwes Jugend. Aber die Geschichte lehrt, dass afrikanische Befreiungsbewegungen nicht leicht zu entmachten sind. Es hat diesmal zwar nicht, wie früher, eine Drohung der Generäle gegeben, dass kein Kandidat ohne Befreiungskriegsvergangenheit auf ihre Treue zählen könnte, aber einige Szenarien sind dennoch denkbar.
Festgefügter Machtapparat
Der 75jährige Mnangagwa könnte gewinnen, wenn er die Bevölkerung davon überzeugt, dass er nicht Mugabe ist. Er präsentiert sich nach außen als Vertreter eines Neuanfangs – und stützt sich zugleich auf einen festgefügten Machtapparat, in dem vor allem die traditionellen Führer auf dem Land, mit üppigen Staatssalären ausgestattet, Oppositionskräften keinen Raum lassen und Loyalität mit Lebensmitteln erkaufen.
Ein Wahlsieg Mnangagwas wäre also keine Überraschung. Ihm könnte höchstens zum Verhängnis werden, dass er seinen Worten gegen Korruption kaum hat Taten folgen lassen.
Sollte stattdessen Chamisa mit seiner MDC gewinnen, würde er schnell feststellen, dass er gar nicht regieren kann. Alle Regierungsabteilungen und Ministerien sind komplett durchmilitarisiert. Chamisa müsste seine fünf Jahre im Amt damit verbringen, den ganzen Staatsapparat zu demobilisieren und neu zusammenzusetze, von der Getreidebehörde bis zum Geheimdienst. Und er könnte nicht viel gegen Unzufriedenheit und Sabotage tun.
Generäle haben das Heft in der Hand
Ein drittes Szenario ist, dass die Opposition zwar gewinnt, das Militär dies aber nicht anerkennt. Die Generäle, die gerade erst Mugabe von der Macht entfernt haben, nachdem die Opposition dazu jahrzehntelang nicht in der Lage war, werden jetzt wohl kaum dieser Opposition die Macht auf dem Silbertablett servieren.
Da das Miiltär auch die Wahlkommission kontrolliert, kann es für ein genehmes Wahlergebnis sorgen. Die Opposition würde auf die Straße gehen, aber am Ende würden die Gerichte entscheiden – und China steht bereit, um Simbabwes Mineralienreichtum weiter auszuplündern, auch wenn die nächste Regierung nicht so investorenfreundlich ausfällt wie versprochen.
Mitarbeit: Regis Madzvamuse (Masvigo), Marcus Mushonga, Danai Mwarumba (Harare)
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