Schauspieler Michael K. Williams ist tot: Charakterdarsteller mit Grandezza
Seine Karriere begann als Tänzer in Musikvideos. Die Rolle des Omar Little in „The Wire“ machte ihn weltberühmt. Nun ist Michael K. Williams gestorben.
Aus dem Strom der Gesichter und Körperhaltungen heraus, den einem die audiovisuellen Medien ständig vorbeibringt, konnte er einen mitten in die Magengrube treffen. In „The Road“, der Verfilmung des postapokalyptischen Romans von Cormac McCarthy, spielt Michael K. Williams einen Dieb, der seine Beute wieder verliert und nackt auf der Straße zurückgelassen wird. Die aufgerissenen Augen, der wie zerfledderte Mund, die Spucke, die aus ihm tropft – was man sieht, ist pure Verzweiflung. Und erst hinterher denkt man so etwas wie „toll“ und „Method Acting“.
Neben der Glaubwürdigkeit verleiht Williams dieser Figur aber noch eine zweite Ebene: In der Mimik ist noch ein Nachschein dessen sichtbar, dass dieser Mann einmal cool und rechtschaffen gewesen sein muss.
Diese Vielschichtigkeit zeichnete auch seine Figur des Omar Little in „The Wire“ aus, der Figur, mit der Michael K. Williams weltberühmt geworden ist. Die Chance, in dieser Fernsehserie einem schwulen schwarzen Mörder in den Projects von Baltimore Verletzlichkeit und Würde zu geben, nutzte Williams mit großer schauspielerischer Kraft. Das ist jenseits von Sozialdrama. Das blieb, wie die ganze Serie, stets realistisch und überführte das Überleben in den vor sich hin rottenden Innenstadtbezirken doch zu einem irgendwo Shakespeare’schen Drama um Selbstbehauptung und Respekt unter schwierigsten Umständen. Außerdem hatte es einfach Grandezza, wenn dieser Omar pfeifend in seiner zerschlissenen Kleidung, abgesägte Schrotflinte im Anschlag, durch die Straßen Baltimores wandelte.
Die Körperbeherrschung eines Tänzers sah man ihm in jeder Szene an. Als Begleittänzer in Musikvideos etwa von Madonna begann die Karriere des 1966 in New York geborenen Schauspielers. Als kleiner Bruder des Rappers Tupac kam der erste Erfolg. Zeit seines Lebens war Michael K. Williams ungeheuer fleißig, er spielte in vielen Serien, unter anderem die Rolle des Chalky White in „Broadwalk Empire“, Filmen und auch Computerspielen. Als schwacher, versagender Vater in „When They See Us“, in dem schwarze Jugendliche für eine Vergewaltigung büßen müssen, die sie nicht begangen haben, war er nahe dran am overacting. Aber wenn er gut war, dann war er wirklich unglaublich gut. Am 6. September ist Michael K. Williams in New York im Alter von 54 Jahren gestorben, der New York Times zufolge an einer Überdosis Drogen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
Wirtschaftsminister bei Klimakonferenz
Habeck, naiv in Baku
Aktienpaket-Vorschlag
Die CDU möchte allen Kindern ETFs zum Geburtstag schenken