Schaschlik auf Armenisch: Philosophie zum Grillen
Die lauen Abende sind bald vorbei. Zeit, ein letztes Mal zu grillen. Eine Anleitung auf Armenisch. Hier ist Schaschlik mehr als ein Spieß mit Fleisch.
BERLIN taz | Die armenische Hauptstadt Jerewan hat viele berühmte Straßen. Die Proschjanstraße im Zentrum ist nicht nur berühmt, sondern auch lecker. Zu beiden Seiten reihen sich hier Restaurants und Buden aneinander, denen der Duft von gebratenem und gegrilltem Fleisch entströmt. Deswegen wird die Straße auch Schaschlikstraße genannt.
In Armenien, wie auch in anderen Ländern des Kaukasus, ist Schaschlik mehr als ein Leckerbissen. Er ist Philosophie. Die Spieße sind bestückt mit dem Fleisch von Lämmern, Schweinen, Rindern, Hähnchen, manchmal auch mit Fisch. Als Beilage wird Gemüse gereicht – Auberginen, Paprika und Tomaten, die ebenfalls auf einem Spieß aufgereiht, dann gegrillt und schließlich in einer Mischung aus Zwiebeln, Kräutern und Butter gewendet werden.
Das Geheimnis des speziellen Schaschlikgeschmacks hängt von drei Faktoren ab: der Marinade, dem Holz (und somit dem Feuer) sowie der Art, den Spieß zu wenden. Fast jede armenische Familie hat eigene Marinade-Rezepte. Auch die Restaurants probieren immer wieder neue Varianten aus. Die Marinade besteht aus Salz, Pfeffer und Zwiebeln, dazu kommen manchmal Essig, Zitronensaft und Mineralwasser. Dadurch wird Schweine- und Rindfleisch saftig und weich.
Das Fleisch bleibt zwischen ein bis zwei Stunden und einem ganzen Tag im Sud. Lammfleisch wird oft nur gewürzt und sofort gegrillt. Ein besonderes Aroma verleiht dem Fleisch wilder Thymian oder Minze aus den armenischen Bergen.
Zutaten: Rippchen von einem höchstens zehn Monate alten Lamm, Zwiebeln, Salz, roter Pfeffer, trockene Äste vom Kirschbaum, Zitronensaft, Rotwein, armenisches Brot (Lavawsch)
Vorbereitung: Die Rippchen schneiden, waschen, trockentupfen. Dann gut mit Salz und rotem Pfeffer einreiben. Zwiebeln in Ringe schneiden, mit dem Fleisch vermengen, zwei bis drei Stunden ziehen lassen. Zwiebeln entfernen, Rippchen auf Spieße stecken.
Zubereitung: Feuer machen, warten, erst über der Kohle die Spieße grillen. Einmal wenden. Fleisch mit frischen Zwiebelringen, Zitronensaft und armenischem Brot servieren. Dazu: Rotwein!
Besonderes Holz
Holz von Eichen, Apfel- und Birnbäumen sind für das Schaschlikfeuer das Beste. Einen besonders köstlichen Geschmack bekommt Schaschlik, der über Weinreben gegrillt wird. Schaschlik ist nur dann richtiger Schaschlik, wenn er über einem etwa ein bis zwei Meter hohen offenen Feuer gebraten wird. Die Leute in Armenien grillen überall; am Strand, im Wald, ganz egal, und wenn die Polizei vorbeikommt und sieht, es gibt Schaschlik, ist sie froh, was abzubekommen.
Diesen und viele andere spannende Texte lesen Sie in der aktuellen sonntaz vom 01./02. September 2012. Am Kiosk, eKiosk oder gleich im Wochenendabo. Und für Fans und Freunde: facebook.com/sonntaz.
Traditionell armenischer Schaschlik wird in einem „Tonir“ gegart, einem großen Tonkrug, der sich ein bis zwei Meter im Boden befindet. Man wartet, bis das Feuer nur noch Glut ist und steckt dann die Spieße vertikal rein. Wie oft die Metallspieße gedreht werden müssen, darüber wird oft gestritten, entscheidet am Ende aber darüber, ob das Fleisch knusprig oder saftig ist.
Beim Schaschlikessen versammelt sich die ganze Familie oft auch mit Verwandten und Freunden. Die Männer machen das Feuer und grillen das Fleisch und Gemüse. Die Frauen schälen das gebratene Gemüse und bereiten die Beilagen zu. Jede von ihnen glaubt natürlich, dass ihr Mann der wahre Schaschlikmeister ist.
Tanzende Kellnerin
Schaschlik ist das Hauptgericht bei Festen, jeden Tag Fleisch kann sich in Armenien sowieso keine Familie leisten. Bei Hochzeiten gibt es ein besonderes Ritual: Zur Musik tanzen die Kellnerinnen, die Platten mit Schaschlik gekonnt über dem Kopf balancieren. Die Filetstücke bekommt immer das Brautpaar. „Schaschlik ist ein Leckerbissen, aber ohne Wein schmeckt er nicht so gut“, heißt es in einem berühmten armenischen Lied.
Doch Schaschlik schmeckt nicht nur mit Rotwein. Auch Wodka aus Aprikosen, Pfirsichen oder Maulbeeren sorgt für gute Laune. Und nie wird vergessen, auf das Wohl des Schaschlikmeisters anzustoßen.
Aber wer hat’s denn nun erfunden, den Schaschlik? „Das kann man so nicht beantworten“, sagt die armenische Anthropologin Hranusch Kharatyan. „Schließlich haben Menschen schon immer ihr Fleisch über dem Feuer gegrillt.“ Das Wort Schaschlik jedenfalls leitet sich vom türkischen „Schisch“ ab, was Spieß bedeutet. Auf Armenisch heißt Schaschlik „Chorovats“, was mit „gegrillt oder gebraten“ übersetzt wird. „Im 5. Jahrhundert schon finden sich bei den Historikern Aussagen über Schaschlik aus Wildschwein, weil die Edelmänner gerne auf Wildschweinjagd gingen“, sagt Kharatyan.
Heute gibt es in Armenien sogar ein Schaschlikfestival. Dieses Jahr treffen sich am 8. September in der nordarmenischen Kleinstadt Achtala – an der Grenze zu Georgien – Tausende Schaschlikfans. Die Wahl von Achtala ist kein Zufall. Einerseits soll durch das Event der Tourismus in der armenischen Provinz gestärkt werden. Denn in Achtala stehen ein historisches Schloss und mehrere Kirchen teilweise noch aus dem zehnten Jahrhundert. Andererseits soll die armenisch-georgische Freundschaft gefestigt werden. Von Georgien dauert die Autofahrt bis Achtala nämlich nur 15 Minuten. Deswegen kommen auch viele Georgier gern zum Schaschlikfestival.
Braten für die Jury
Die Nachbarn schlagen sich nicht nur mit armenischen Fleischspießen den Bauch voll, sondern präsentieren auch ihren eigenen, den georgischen Schaschlik, der sich vom armenischen lediglich in der Marinade unterscheidet. Das Festival organisiert die armenische Nichtregierungsorganisation Entwicklung der armenischen Kochtradition (EAK). Restaurants sowie einzelne Personen konkurrieren um den schmackhaftesten Schaschlik und die Jury zeichnet die drei besten Kreationen mit Preisen aus.
„Die Schaschlikmeister versuchen jedes Jahr, etwas Neues und Spezielles anzubieten. Im vergangenen Jahr gab es hier vierzig verschiedene Sorten Schaschlik“, sagt der Organisator des Festivals und EAK-Chef Sedrak Mamulyan. „Wir grillen Lamm-, Schwein- und Rind-, Hähnchen- und Putenfleisch, aber auch Innereien und verschiedene Fische.“ Neben fast allen Gemüsesorten gebe es beispielsweise auch Schaschlik mit Äpfeln und Bananen. Was Sedrak Mamulyan in diesem Jahr seinen Gästen vorsetzen will, das verrät er allerdings nicht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Geschasste UN-Sonderberaterin
Sie weigerte sich, Israel „Genozid“ vorzuwerfen
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Prognose zu Zielen für Verkehrswende
2030 werden vier Millionen E-Autos fehlen
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
Vertrauensfrage von Scholz
Der AfD ist nicht zu trauen
Wahlkampf-Kampagne der FDP
Liberale sind nicht zu bremsen