Schalke 04 vor dem Revierderby: Standards für die Psyche
Vor dem Spiel gegen Dortmund versucht Schalke 04 Zuversicht zu trainieren. Der Fan-Anpfiff nach dem letzten Spiel soll da motivierend wirken.
So ein Revierderby hat immer eine lange Vorlaufzeit. Für die Schalker Fußballer begann das emotionale Aufwärmprogramm diesmal bereits am Sonntagabend. Das zumindest ein wenig ermunternde 1:1 im Heimspiel gegen Union Berlin hatten sie noch nicht ganz verarbeitet, als ihnen von außerhalb der Arena laute Stimmen zu Ohren kamen. Es waren rund 80 Schalke-Ultras, die sich wegen der anhaltend misslichen Lage ihres Klubs Gehör verschaffen wollten. Und die königsblauen Kicker kamen, weit nach Spielschluss. Treffpunkt war am Ausgang West des Mehrzwecktempels.
Das Anliegen der Anhänger war klar: Der Gedanke an die nächste Partie – beim recht unbeliebten Nachbarn aus Dortmund – ließ sie innerlich schon sechs Tage zuvor erbeben. Entsprechend verlief die Diskussion. Die Leistung gegen Union, wurde einer der Wortführer zitiert, sei okay gewesen, für das Duell mit dem BVB, das wichtigste Spiel des Jahres, müsse die Mannschaft aber noch ein paar Prozente zulegen. Werde am Samstag nicht zumindest das Niveau vom Berlin-Spiel erreicht, komme es zu einem weiteren Treffen. Das dann aber nicht so friedlich verlaufen werde wie dieses.
Sascha Riether, auf Schalke zuständig für die Leitung der Lizenzspielerabteilung, berichtete später über die Zusammenkunft der Profis mit den Ultras: „Das war eher motivierend. Es gab eine Aussprache, die Fans haben uns für das Derby heiß gemacht.“ Die Worte vom Sonntagabend nahm das Team von Manuel Baum jedenfalls mit in die Trainingswoche. Und an deren Ende erklärte Torwart Frederik Rönnow, man habe die Botschaft verstanden – und deren genauer Wortlaut sei seiner Ansicht nach nicht so wichtig.
Schlechte Erinnerungen
Wichtig für die weitere Stimmung bei den Gelsenkirchenern wird allerdings sein, wie der dänische Ballfänger, als Leihgabe von Eintracht Frankfurt ins Revier gekommen, und seine Mitspieler ihren Job in Dortmund erledigen. Beim letzten Aufeinandertreffen Mitte Mai, am ersten Spieltag nach der Corona-Pause, boten die Schalker eine bodenlos schlechte Leistung, unterlagen mit 0:4. Einen derartigen Auftritt sollten sie sich nicht noch mal erlauben – für diese Prognose genügen kurze Blicke auf die seit Ende Januar laufende Negativserie (20 Spiele ohne Sieg) und den aktuellen Stand im Tableau (Platz 17).
Schalke-Trainer Manuel Baum
Immerhin haben es Liga-Konkurrent Augsburg und in der Champions League gerade auch Lazio Rom mit ihren Erfolgen über Borussia vorexerziert, wie man dem Ensemble der jungen Hochbegabten mit körperlicher Präsenz und ausgeprägter Laufbereitschaft die Lust an Dribblings, Finten und Kombinationen nehmen kann. „Wir haben die Abstandsregeln im Spiel gegen den Ball vorbildlich eingehalten“, rekapitulierte Sportdirektor Michael Zorc das 1:3 bei Lazio am Dienstag in beißender Ironie – und forderte für das Duell mit den Blau-Weißen: „Wir wollen eine Reaktion sehen, mit Kampf, Laufbereitschaft und Emotionen.“
Auf Schalke sieht man die eigene jüngste Darbietung in hellerem Licht. „Ich glaube, jeder hat gesehen, dass wir schon besser gespielt haben als in den Partien zuvor“, sagte Angreifer Goncalo Paciencia, der seine These mit dem verbesserten Abwehrspiel begründete – und mit vereinzelten Lichtblicken in der Offensive.
Exakt dieser Bereich bereitet Cheftrainer Baum allerdings das meiste Kopfzerbrechen. „Die Psyche ist ein großes Thema. In den Gesprächen mit den Spielern hört man, dass die Fantasie abhandengekommen ist, ein Tor zu schießen. Es ist gar nicht mehr im Kopf, dass wir eines schießen können“, gab der 41-Jährige im Interview mit sportschau.de einen Einblick in seinen komplizierten Arbeitsalltag.
Eine Idee, wie die Misere aus der Welt geschafft werden könnte, hat er aber zumindest. Und so beauftragte er seinen Assistenten Naldo mittlerweile mit der Ausarbeitung spezieller Fertigkeiten des S04-Personals bei Standards. Einen geeigneteren Mann hätte sich Baum für diesen Job kaum aussuchen können: Von seinen für einen Innenverteidiger imposanten 46 Bundesligatreffern erzielte der frühere Bremer, Wolfsburger und Schalker Naldo – neben acht direkt verwandelten Freistößen – fast die Hälfte mit dem Kopf, nicht selten bei Standards. Das berühmteste in dieser Reihe stammt aus dem November 2017, als der lange Brasilianer in der vierten Minute der Nachspielzeit nach einer Ecke zum Endstand einköpfte. Das war beim legendären 4:4 – in Dortmund.
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