Schalke 04 erhält Absage von Rangnick: Nicht mehr zu retten
Ralf Rangnick will wohl wegen zu düsterer Aussichten nicht Sportvorstand von Schalke 04 werden. Nun steht der Aufsichtsrat unter Beschuss der Fans.
Die Hoffnungen auf den Verbleib in der Bundesliga sind längst verflogen beim FC Schalke 04, diese Mannschaft ist chancenlos, was sich beim 0:3 gegen Borussia Mönchengladbach ein weiteres Mal eindrucksvoll beobachten ließ. Aber eine Resthoffnung auf den Retter schien noch zu existieren am Samstagabend, obgleich Ralf Rangnick, der von vielen Tausend Fans herbeigesehnte Kandidat auf den Vorstandsposten, am Mittag abgesagt hatte.
Er werde dennoch am Montag ein weiteres Mal mit Rangnicks Berater Marc Kosicke telefonieren und „ausloten, was möglich ist und was nicht möglich ist“, sagte Aufsichtsratschef Jens Buchta. Doch Rangnick hat seine Entscheidung getroffen, wie seine Berater am Sonntag klarstellten. Gerne werde er sich nochmal mit Buchta unterhalten, erklärte Kosicke, aber nur, „um das Ganze respektvoll für alle zu beenden“.
Die Rangnick-Posse ist damit ein abgeschlossenes Kapitel innerhalb des königsblauen Untergangsepos, das allerdings in unterschiedlichen Variationen erzählt wird. Aus dem Umfeld der sogenannten „Gruppe“ aus Sponsoren, ehemaligen Mitarbeitern und anderen Herzensschalkern, die den Rangnick-Plan ohne Mandat im Verein forciert und in die Öffentlichkeit gebracht haben, heißt es, die Verantwortlichen hätten Rangnick gar nicht mit der nötigen Ernsthaftigkeit gewollt.
Buchta, sein Aufsichtsratskollege Peter Lange und die Finanzvorständin Christina Rühl-Hamers hätten daher in dem ersten Sondierungsgespräch ein düsteres Bild von den Perspektiven gezeichnet, statt voller Optimismus Potenziale aufzuzeigen. Das habe Rangnick abgeschreckt. Rangnick selbst verwies auf „zahlreiche Unwägbarkeiten innerhalb des Vereines“, aufgrund derer er „derzeit nicht in der Lage“ sei, „die sportliche Verantwortung bei S04 zu übernehmen“. Die Frage, worum es sich genau bei diesen Unzulänglichkeiten handelt, beantwortete er in seinem Statement nicht.
Irreparabler Zustand
Im Umfeld Rangnicks wird verbreitet, der 62 Jahre alte Schwabe und sein Berater seien entsetzt darüber gewesen, dass unmittelbar nach dem Gespräch vom vorigen Donnerstag vertrauliche Inhalte an die Öffentlichkeit gelangt seien. Möglich ist aber auch, dass sich nach den Vorgängen der vergangenen Wochen ein Gesamtbild von einem Klub in einem irreparablen Chaos-Zustand verfestigte. Von einem Klub, der im kommenden Jahr über ein Zweitligabudget verfügt, mit dem sich Rangnicks Vorstellungen unmöglich umsetzen lassen. In jedem Fall brennt jetzt der ganze Klub lichterloh.
Jens Buchta ist schwer beschädigt, er steht unter dem Verdacht, die Rangnick-Chance verspielt zu haben. Er selbst streitet das ab. Aus seiner Sicht habe es „keinen Anlass“ gegeben, die geplanten Verhandlungen mit Rangnick persönlich abzublasen. In jedem Fall muss er sich aber vorwerfen lassen, dass er Rangnick nicht frühzeitig angesprochen hat, obwohl dieser unüberhörbar sein Interesse an einer Rückkehr zum FC Schalke bekundet hatte. Damit wäre die ganze Schlammschlacht mit der „Gruppe“ verhindert worden.
Rückblickend ist nämlich klar, dass diese vermeintlichen Freunde des Vereins, die ihr Rangnick-Projekt wahrscheinlich gut gemeint haben, mit ihrem Vorgehen massive Schäden angerichtet haben. Der Verein macht sich mal wieder lächerlich, und der Fachmann Markus Krösche, der Sportdirektor von RB Leipzig, der ebenfalls interessiert am Posten des Schalker Sportvorstandes war, steht nicht mehr als Kandidat zur Verfügung. Diese Möglichkeit hat die Gruppe kaputtgemacht. Wie der zweite Kandidat Buchtas, den es geben soll, das königsblaue Drama der Selbstzerstörung wahrnimmt, ist unbekannt.
Nach der Niederlage gegen Mönchengladbach trat der Aufsichtsrat Stefan Gesenhues zurück, der die Rangnick-Pläne vor zehn Tagen im Aufsichtsrat präsentiert hatte. Er war danach heftig kritisiert worden. Und am Sonntag nahm eine Onlinepetition Fahrt auf, in der Schalker sich für einen sofortigen Rücktritt des gesamten Aufsichtsrats aussprechen konnten. „Buchta & Co. sind offensichtlich nicht kompetent und professionell genug, um die vakante Position des Sportvorstands zum Wohle des Vereins zu besetzten“, heißt es in den Erläuterungen zu der Abstimmung.
Fast 6.000 Menschen hatten innerhalb weniger Stunden unterzeichnet. Angestrebt wird eine außerordentliche Mitgliederversammlung. Dieses Engagement ist vielleicht der einzig positive Aspekt des ganzen Ärgers: Viele Anhänger des Klubs entwickeln in den Foren und mit ihren Petitionen gerade eine Leidenschaft, die den Bundesligafußballern vollkommen abhandengekommen ist.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Anbrechender Wahlkampf
Eine Extraportion demokratischer Optimismus, bitte!