Schäuble zur Anonymität im Netz: Klarnamenpflicht hilft nicht

Mord- und Vergewaltigungsdrohungen im Netz braucht niemand – außer Nazis. Was dagegen zu tun ist, glaubt Wolfgang Schäuble zu wissen.

Wolfgang Schäuble

Wolfgang Schäuble, er selbst, in echt Foto: reuters/Hannibal Hanschke

Wie wird man des ganzen Hasses im Netz, vor allem in den sozialen Netzwerken Herr? Da werden Mord- und Vergewaltigungsdrohungen abgesondert, gezielt gegen Einzelpersonen oder auch als allgemeiner Ausdruck gruppenbezogenen Menschenhasses. Immer wieder schwimmt die Forderung nach einer Klarnamenpflicht an die Oberfläche der Debatte, gerade erst durch Wolfgang Schäuble, der schon seit Jahren immer wieder mal für ein „digitales Vermummungsverbot“ eintritt.

Lassen wir mal beiseite, dass es für den Bundestagspräsidenten und früheren kreativen Finanzjongleur der CDU vielleicht Dringlicheres zu tun gibt – die Durchsetzung einer Klarnamenpflicht für Großspender*innen an Parteien zum Beispiel. Nehmen wir stattdessen an, dass die wiederholte Forderung nach Einschränkung von Anonymität beziehungsweise Pseudonymität im Netz der ehrlichen Sorge um den Stand der Debattenkultur entspringt.

Dann darf aber doch verlangt werden, dass die Verfechter*innen der Klarnamenpflicht, jener kleinen Schwester des anderen Internet-Allheilmittels, der Vorratsdatenspeicherung, wenigsten einmal die bisherigen Versuche mit dieser Methode unter die Lupe nähmen und sich über den Stand der Forschung informierten.

Dann nämlich wüsste auch Wolfgang Schäuble, dass ein entsprechendes Gesetz in Südkorea fünf Jahre nach seiner Einführung wieder kassiert wurde. Und zwar wegen unbilliger Einschränkung von Bürgerrechten und, kein Witz, wegen Wirkungslosigkeit. Die Bürger*innen des asiatischen Landes sollten sich mit ihrer Einwohnernummer registrieren, bevor sie auf großen Plattformen kommentierten.

Dann halt Hackerangriffe

Statt dem rauen Debattenton die Kanten zu nehmen, wurden die User*innen lediglich etwas kreativer mit ihren Invektiven. Das Schlimmste aber war, dass die Provider mehrfach Hackerangriffen ausgesetzt waren und die gesetzeskonform gespeicherten Daten dabei gestohlen wurden.

Übrigens lässt sich auch für den deutschsprachigen Raum belegen, dass Hassposts unter Klarnamen sogar häufiger als unter Pseudonymen abgegeben werden. Eine konsequente Strafverfolgung, die schon heute möglich ist, wäre hier vielleicht angebrachter. So ließe sich eventuell ein Unrechtsbewusstsein schärfen, das tatsächlich gegen Hassrede, Mobbing und dergleichen Wirkung entfalten könnte.

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