piwik no script img

Schädliche Dünger in den NiederlandenStickstoffkrise spitzt sich zu

Lässt die niederländische Regierung Öko-Auflagen für die Landwirtschaft kippen? Der Druck auf das Kabinett steigt – auch von innen.

Kuhfarm in den Niederlanden. Vor allem Tierausscheidungen sind für hohe Stickstoffwerte verantwortlich Foto: Piroschka van de Wouw/reuters

Amsterdam taz | Der Druck auf die niederländische Regierung, eine zentrale Umwelt- und Klimaschutzmaßnahme zu verwässern, steigt: Es geht um die Senkung der Stickstoff-Emissionen in der Landwirtschaft. Das Thema sei „sehr kompliziert mit sehr großen Folgen für viele Menschen“, sagte Umweltministerin Christianne van der Wal-Zeggelink von der konservativ-marktliberalen Volkspartei für Freiheit und Demokratie.

Zuvor war die rechtspopulistische Bauern-Bürger-Bewegung BBB in einem Erdrutschsieg stärkste Kraft in den niederländischen Provinz­wahlen geworden, während die Regierung um Ministerpräsident Mark Rutte abgestraft wurde. Es gebe allerdings keine Alternative zum bisherigen Ansatz der Regierung, schob van der Wal-Zeggelink nach.

Der sieht vor, die Stickstoff-Emissionen bis 2030 zu halbieren. BBB will das bis 2035 aufschieben. Zudem lehnt die Protestpartei es ab, dass stark verschmutzende Agrarbetriebe entweder aufgekauft oder enteignet werden. Betroffen davon sind zwischen 2.000 und 3.000 Höfe, deren Be­sit­ze­r*in­nen die Regierung im Laufe des Jahres einmalig ein Angebot oberhalb des Marktwerts machen will. Die BBB will dagegen auf innovative Agrartechniken setzen, um die Stickstoffwerte zu senken, etwa das Trennen von Urin und Kot von Kühen.

Der niederländische Ausstoß von Stickstoffoxiden und Ammoniak ist relativ zur Fläche mehr als dreimal so hoch wie der europäische Durchschnitt. Die Frage, wie diese Werte zu senken sind, um den Vorgaben der EU-Habitat-Richtlinie zu entsprechen, spaltet das Land seit 2019.

Widerstand auch aus der Regierung selbst

Im Blickpunkt steht dabei vor allem die intensive Landwirtschaft des hinter den USA zweitgrößten Agrarexporteurs der Welt. Vor allem dank des durch Tierausscheidungen freigesetzten Ammoniaks ist der Sektor für 61 Prozent der Emissionen verantwortlich.

Auch bei den mitregierenden Christ­demo­kra­t*in­nen, einst die Partei von Land­wir­t*in­nen und -bewohner*innen, regt sich nun Widerstand gegen den geplanten Stickstoff-Kurs. Die Partei hat ihr einstiges Elektorat in Scharen an die BBB verloren.

Wopke Hoekstra, der Vizepremier und christdemokratische Fraktionsvorsitzende, erklärte schon im vergangenen Jahr, das Zieljahr 2030 für die Halbierung der Emissionen sei „nicht heilig“. Am Wochenende kündigte die Limburger Provinz-Abgeordnete Madeleine van Toorenburg in einer TV-Debatte an, man werde in den Provinzen daran „einfach nicht“ mitarbeiten.

Die neue Machtposition der BBB bringt auf die eine oder andere Art Bewegung in die Konstellation. Fraglich ist, ob die christdemokratische Basis den Aufstand gegen die eigene Parteileitung proben oder diese im Einklang mit der Basis eine Koalitionskrise in Kauf nehmen wird. Hans Huibers, der Parteivorsitzende, betonte zuletzt im TV- Sender NOS, gerade beim Thema Stickstoff müsse den Menschen in der Provinz nun wirklich zugehört werden.

Ein Nebeneffekt der anhaltenden Krise ist bereits deutlich: Ein wachsender Teil der niederländischen Gesellschaft hält Klimaschutz inzwischen für Panikmache.

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare