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Satiremagazine in der Türkei„Satire hat den längsten Atem“

In der Türkei ist „Uykusuz“ Kult. Nun erscheint das Magazin auch in Deutschland. Ein Interview mit dem Chefredakteur Barış Uygur.

Früher war „Uykusuz“ an jedem türkischen Kiosk zu bekommen – heute nicht mehr Foto: dpa

taz.gazete: Die Satirekultur hat in der Türkei lange Tradition. Was macht sie aus?

Barış Uygur: Seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts hat die Satire in der Türkei eine ganz eigene Linie verfolgt. In der Zeitschriftenpresse hatten immer Satiremagazine den längsten Atem. In den Siebzigern, als es noch keine privaten Fernseh- und Radiosender gab, holte sich praktisch die gesamte Türkei ihre Portion Humor bei den Satiremagazinen. Bei einer Einwohnerzahl von damals rund 50 Millionen wurden in der Türkei Auflagen von 450.000 erreicht. Aus dieser Tradition ging 2007 Uykusuz (deutsch: schlaflos) als Abspaltung von Penguen hervor.

Sprechen Satiremagazine heute immer noch die breite Bevölkerung an?

Seit den Neunzigern bringen die Privatsender Comedy-Sendungen, viele schauen das täglich. Mainstreamsatire in der Öffentlichkeit wurde damit im Fernsehen zugänglich. Und heute natürlich im Internet. Damit sackte der Gesamtabsatz von Satiremagazinen ab, sie brauchen nicht mehr jeden anzusprechen. Im linken Spektrum wurden die Magazine freier, politischer, radikaler.

Welche Folgen hat das?

Im Vergleich zur Zeit der Gezi-Proteste 2013 verzeichnen wir einen Rückgang der Auflage um zwei Drittel. Uykusuz druckt in der Türkei derzeit 20 bis 25.000 Exemplare. Inzwischen gibt es Probleme im Vertrieb. Außerhalb der Metropolen İstanbul, Ankara und İzmir ist das Magazin kaum noch zu bekommen. Pressehändler weigern sich, Magazine dieser Art zu verkaufen. Gegen Satirezeitschriften richtet sich die Repression meist auf ökonomischem Weg, mit Klagen auf Schmerzensgeld werden die Blätter in die Knie gezwungen. Und der Höhenflug des Dollars wirkt sich katastrophal auf die Papierpreise aus. Die Türkei ist ja auf Papierimporte angewiesen, wir kommen klar, solange unser Lager voll ist, danach werden die Preise erhöht. Und dann kommt es verstärkt vor, dass Zeitungskioske in der Türkei, die Uykusuz jede Woche im Angebot haben, sagen, das Magazin verkauft sich eh schlecht, und es deshalb aus dem Sortiment nehmen.

Es gibt auch islamische Satiremagazine, die den Einstellungen der Regierung näher liegen. Stellen sie eine Konkurrenz dar?

Es gab CafCaf, jetzt erscheint Misvak. Die gehen aber am Ziel vorbei. In einem Satiremagazin bringen wir auf drei Seiten politische Kritik, die restlichen 13 aber sind mit Geschichten aus dem Leben der Zeichner voll. Humor heißt ja vor allem, über sich selber zu lachen. Sei bereit, dich erst mal über dich selbst lustig zu machen, damit das, was du machst, Satire ist und keine Propaganda. In der Zeit vor dem Militärputsch 1980 legten Nationalisten Blätter mit ausschließlich anti-kommunistischer Satire auf. CafCaf und Misvak machen sich jetzt auch nur über den Säkularismus lustig. Die eigenen Werte halten sie dabei hoch. Das ist total langweilig, so was lesen die Leute nicht.

Foto: Ersin Karabulut

Warum soll „Uykusuz“ jetzt auch in Deutschland erscheinen?

Mit einiger Verspätung schlagen auch wir jetzt den Weg ein, den türkische Zeitungen bereits seit rund vierzig Jahren beschreiten. Zum einen wollen mehr Leute in Europa und speziell in Deutschland das Magazin abonnieren. Zudem habe ich bei Berlin-Reisen erlebt, dass Leute mich darum baten, ihnen Uykusuz aus der Türkei mitzubringen. Es gibt da eine rege Nachfrage. Vielleicht bin ich zu schnell darauf angesprungen. Aber wenn alle, die gesagt haben, ich kaufe sie, das tatsächlich tun, sollten wir keine Probleme haben.

Wo genau bekommt man „Uykusuz“ hier?

In Deutschland, Österreich, der Schweiz und Belgien bekommt man sie überall dort, wo es türkischsprachige Presse gibt. Wo man die Zeitungen Sözcü, Hürriyet, Aydınlık, Sabah, Özgür Politika kaufen kann, da sollte man auch Uykusuz bekommen. Jetzt findet man Uykusuz vielleicht nicht mehr in jeder größeren Stadt in der Türkei, dafür aber in Gelsenkirchen, Brüssel oder Salzburg. Vielleicht nehmen sogar Lesende in Antwerpen, Salzburg oder Zürich Uykusuz mit, wenn sie im Urlaub in die Türkei fahren und wissen, wie schwer das Magazin in der jeweiligen Gegend aufzutreiben ist. (lacht)

Wie steht das „Uykusuz“-Team in der Türkei zu dieser neuen Initiative?

Sie sind froh, damit eine Lebensader zu haben, denn in der Türkei hat Uykusuz in letzter Zeit erhebliche Schwierigkeiten, überhaupt noch an die Verkaufsstellen zu kommen. Sie hoffen, über das Publikum in und aus der Türkei hinaus auch westliche Comic- und Satirefans zu erreichen. Wir haben jahrelang Charlie Hebdo gekauft, obwohl wir kein Französisch konnten, einfach, um die Karikaturen anzuschauen. Ich habe herumgefragt und deutsche Satiremagazine besorgt. Es gibt 30 bis 35 wirklich begabte Zeichner und Karikaturisten bei uns. Ich hoffe, auf diesem Weg werden sie als Karikaturisten und Künstler auch hierzulande bekannter.

Aus dem Türkischen von Sabine Adatepe

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