Sanktionen gegen Klimasünder: KOMMENTAR VON MALTE KREUTZFELDT
Nicht Rationalität, sondern Schizophrenie prägt die momentane Klimadebatte. Einstimmig und drastisch wie nie zuvor warnt die globale wissenschaftliche Gemeinschaft vor dem Treibhauseffekt. Klar wie nie zuvor erleben wir mit schmelzenden Gletschern, extremen Temperaturen und zunehmenden Überschwemmungen derzeit den Beginn des Klimawandels. Und eindringlich wie nie zuvor erklären Politiker über Partei- und Staatsgrenzen hinweg, dass es nun Zeit wird, zu handeln. Nur: Sobald es konkret wird, bleibt davon nichts übrig.
Bestes Beispiel dafür ist Angela Merkel. Während sie den Klimaschutz verbal zur zentralen Aufgabe ihrer EU- und G-8-Präsidentschaft erklärt hat, liefert sie sich gleichzeitig einen peinlichen Kampf mit der EU-Kommission, um reale Konsequenzen für die deutsche Industrie zu blockieren. Verbindliche Grenzwerte für die Autoindustrie lehnt die ehemalige Umweltministerin ebenso ab wie europäische Vorgaben zu Deutschlands CO2-Ausstoß.
Klimaschutz gern, aber der deutschen Wirtschaft darf er nicht wehtun: Diese Doppelzüngigkeit lässt sich nur durch verbindliche internationale Regeln stoppen. An die müsste sich jede Regierung halten – unabhängig davon, welche Industriezweige die Wahlkämpfe finanziert haben und welche Lobbyisten Druck ausüben.
Damit das funktioniert, braucht es nicht nur eine neue UN-Organisation für Umweltschutz, wie Jacques Chirac sie jetzt fordert. Sondern auch Instrumente, mit denen diese die notwendigen Maßnahmen durchsetzen kann. Angesichts der drohenden Probleme könnten Blauhelmsoldaten gegen Braunkohlekraftwerke irgendwann eine Option werden. Doch vielleicht klappt es ja auch auf zivilem Weg. Beim freien Welthandel, wo die Vorteile weniger eindeutig sind als beim Klimaschutz, demonstriert die Welthandelsorganisation WTO, dass es problemlos möglich ist, internationale Regeln mit Sanktionen durchzusetzen. Bei der Obergrenze fürs Staatsdefizit macht die EU das Gleiche. Die zu erwartende Strafe für einen Regelbruch muss einfach nur höher sein als sein wirtschaftlicher Nutzen. Dieser Rationalität könnten sich auch die deutschen Klimaschutzblockierer nicht entziehen.
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