Sanktionen für junge Gewalttäter: Zur Strafe Fahrradfahren
Mit „gelben Karten“ warnt das Stadtamt in Zusammenarbeit mit der Polizei junge Gewalttäter vor Wiederholungstaten: Ihnen droht der Verlust des Führerscheins.
![](https://taz.de/picture/133824/14/C_hb_bremen.jpg)
Wer regelmäßig prügelt oder auf der Diskomeile zuschlägt, dem flattert in Bremen nicht nur von der Justiz Post ins Haus, sondern auch: die „gelbe Karte“. Der Brief vom Stadtamt warnt – auf gelbem Papier – vor dem drohenden Verlust des Führerscheins. Die Fahrtauglichkeit nämlich steht in Frage, „wenn Anhaltspunkte für ein hohes Aggressionspotenzial bestehen“, so heißt es in der Fahrerlaubnisverordnung.
Das bezieht sich auch auf Gewalt außerhalb des Verkehrs. Nach einer medizinisch-psychologischen Untersuchung kann dann der Führerschein entzogen werden. Diesen Hebel anzusetzen und davor zu warnen, ist ein Pilotprojekt, das in Bremen seit 2011 läuft und nun verlängert werden soll. Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) berichtete am Mittwoch der Innendeputation.
Bei weniger schweren Straftaten ist die Führerscheinstelle in der Vergangenheit nicht tätig geworden. Nun entscheiden jeweils die PolizistInnen, ob sie eine Empfehlung zur gelben Karte an das Stadtamt weiterleiten, um Täter von wiederholter Gewalt abzubringen.
In 2011 und 2012 wurden daraufhin insgesamt 79 gelbe Karten verschickt – davon 77 Mal an Männer. Fast die Hälfte der Warnungen ging an junge Erwachsene unter 20 Jahren, nur 18 an Männer über 30 Jahren. Die gelben Karten gehen dabei auch an Menschen, die noch keinen Führerschein besitzen: „Sie haben die Chance, Ihr Verhalten darauf einzustellen und zu verhindern, dass die Versagung einer Fahrerlaubnis zu befürchten ist“.
Zahlen, wie oft nach der Warnung der Führerschein tatsächlich entzogen wurde, gibt es für Bremen nicht. Innensenator Mäurer plant, die Evaluation zu verbessern, sein Bericht zieht aber dennoch ein positives Fazit: „Den Rückmeldungen der Sachbearbeiter der Polizei Bremen ist zu entnehmen, dass viele Jugendliche sehr überrascht über die Mitteilung der Führerscheinstelle sind“, heißt es darin.
Verteilt werden gelbe Karten auch in Freiburg, Heidelberg, Karlsruhe, Heilbronn und bereits seit 2010 in Bremerhaven. Eine Bilanz zu ziehen, sei schwierig, sagte der Bremerhavener Leiter des Bürger- und Ordnungsamtes Horst Keipke zur taz: „Wenn wir die gelben Karten versandt haben und dann keine Straftaten passieren, dann kann das an allem liegen. Wir sind zufrieden, wenn nichts passiert.“ Allerdings: zum nächsten Schritt, zur „roten Karte“, sei es in Bremerhaven noch nicht gekommen, sagt Keipke. Die Drohung scheint auszureichen.
Von den Plänen der SPD und CDU, auf Bundesebene kleinere Straftaten, wie Ladendiebstahl, auch durch den Entzug des Führerscheins zu ahnden, weicht das Modell ab: Die Überprüfung der Fahrerlaubnis ersetzt hier keine ordentliche Strafe durchs Gericht, sondern beruft sich auf bereits bestehende Regelungen zur Verkehrssicherheit. Die Idee allerdings bleibt die gleiche: Dass vielen der Verlust ihres Führerscheins mehr Angst macht, als eine mögliche Strafe.
Wegen dieser Vermischung hat der grüne Innenpolitiker Björn Fecker eine gewisse Skepsis: „Eigentlich wünscht man sich andere Mittel, jungen Menschen ihr Fehlverhalten klarzumachen.“
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