Sanktionen der USA: Ostsee-Pipeline gerät in Seenot

Neue US-Sanktionen gegen die Gasleitung Nord Stream 2 verunsichern den Hafen Sassnitz und deutsche Finanziers. Die Bundesregierung will deeskalieren.

Schiffe, die die Pipeline legen.

Das russische Verlegeschiff Akademik Tscherski in der Bucht von Gdansk Foto: Vitaly Nevar/Ita-Tass/imago

BERLIN taz | Das umstrittene Erdgaspipelineprojekt Nord Stream 2 gerät in immer größere Schwierigkeiten. Bereits seit Ende 2019 gilt ein Baustopp auf See wegen Sanktionsdrohungen von Parlament und Regierung der USA. Nun haben drei US-Senatoren dem Fährhafen Sassnitz/Mukran mit drastischen Sanktionen gedroht, die „das zukünftige Überleben des Unternehmens zerstören“.

Die Investoren des Projekts ziehen bereits Konsequenzen: Der Energiekonzern Uniper, der mit knapp 1 Milliarde Euro als Finanzinvestor an Nord Stream 2 beteiligt ist, hat in seiner Halbjahresbilanz am Dienstag vor dem Risiko gewarnt, man müsse „gegebenenfalls den bereitgestellten Kredit wertberichtigen“, weil es wahrscheinlicher geworden sei, „dass es zu Verzögerungen im Bau der Gasleitung oder überhaupt nicht zu einer Fertigstellung kommt“.

Wintershall/DEA, der zweite deutsche Finanzier, präsentiert seine Halbjahresbilanz nächste Woche, wollte sich aber auf Anfrage zu einer ähnlichen Warnung nicht äußern. Und die SPD-Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern, Manuela Schwesig, nimmt das Thema so ernst, dass sie am Dienstag die Pipeline-Erbauer in der Staatskanzlei in Schwerin zu einem Gespräch empfing. Die Lage sei „kritisch“, so Schwesig in der Vorbereitung des Treffens.

Nord Stream 2 ist ein 11-Milliarden-Euro-Vorhaben, mit dem der russische Energiekonzern Gazprom sibirisches Erdgas durch die Ostsee nach Deutschland liefern will. Parallel zur bereits bestehenden Nord-Stream-Pipeline verlegen Schiffe im Auftrag des Konsortiums aus Gazprom und den europäischen Konzernen Uniper, Wintershall/DEA, Shell, Engie und OMV zwei neue Gasröhren im Meeresboden. Nach Auskunft des Unternehmens sind bereits 2.300 von 2.460 Kilometern Leitung verlegt. „Es fehlen noch 6 Prozent der Strecke, etwa 150 Kilometer“, sagt Nord-Stream-2-Sprecher Stefan Ebert.

Die Schiffe sind ausgelaufen

Diese Lücke wird vorerst nicht geschlossen, seit im Dezember 2019 US-Regierung und Parlament Sanktionen gegen die schweizerische Betreiberfirma der beiden Spezialschiffe zur Röhrenverlegung in Kraft setzten. Das Projekt ist auch in der EU umstritten, trotzdem genehmigte die Bundesregierung das Projekt, an dem Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder als Präsident des Verwaltungsrats mitwirkt.

Die USA behaupten, die Pipeline binde Deutschland und die EU enger an Russland, und „betrachtet sie als eine ernsthafte Bedrohung für die europäische Energiesicherheit und die nationale Sicherheit der USA“, heißt es in den Schreiben der US-Senatoren. Darin drohen die Politiker, die Geschäftsführung und Aktionäre der Hafen-Gesellschaft mit einem Einreiseverbot in die USA zu belegen und ihr Eigentum in den USA einzufrieren.

Kanzlerin Merkel und Außenminister Maas protestierten gegen diese „extraterritorialen Sanktionen“, die gegen das Völkerrecht verstießen. Europäische Energiepolitik müsse in Europa gemacht werden. Aus dem Bundeswirtschaftsministerium heißt es, man wolle „nicht an der Eskalationsspitale drehen“, von möglichen Gegensanktionen gegen die USA sprechen bisher nur die Linke, Gerhard Schröder und der Osteuropa-Verein der Deutschen Wirtschaft.

Nord Stream 21 und folgende

Ob und wie das Projekt fertiggestellt wird, ist derzeit unklar. Die russische Seite hat klargemacht, dass die Sanktionen sie nicht groß kümmern. Die europäische Seite ist da anfälliger. Sie verweist auf 120 Unternehmen aus 12 europäischen Ländern, die an Bau und Betrieb der neuen Pipeline beteiligt sind.

Lachender Dritter des geopolitischen Machtpokers und des Stillstands auf hoher See sind die Umweltverbände. Die Deutsche Umwelthilfe hat letzte Woche eine neue Klage gegen Nord Stream 2 eingereicht. Sie will erreichen, dass die klimaschädlichen Methanemissionen aus der Gasproduktion in Russland bei einer Neubewertung der Genehmigung berücksichtigt werden. Diese lägen wahrscheinlich so hoch, sagt DUH-Klimaexperte Constantin Zerger, „dass Nord Stream 2 heute nicht mehr genehmigungsfähig wäre“.

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