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Saisonauftakt in der zweiten BundesligaDer Kampf ist eröffnet

Der Betzenberg kocht wieder zweitklassig und Lautern gewinnt. Hannover zeigt phasenweise, dass man es dieses Jahr mal mit Fußball probieren möchte.

Optimales Timing: Torjubel nach Kaiserslauterns Siegtreffer in letzter Minute Foto: dpa

Kaiserslautern taz | An guten Tagen ist der Kaiserslauterer Betzenberg eines der lautesten, wildesten und emotionalsten Stadien Europas. Viele gute Tage gab es in den vergangenen Jahren indes nicht in der Westpfalz, in der dritten Liga empfing man während vier harter Jahre oft Vereine, die 17 oder 170 Gästefans mitbrachten und 17.000 Heimfans hinter dem Ofen hervorlockten – Letzteres ist für Lauterer Verhältnisse im Übrigen eine ehrenrührige Zahl.

So gesehen war der vergangene Freitag, der zum Saisonstart der zweiten Liga Kaiserslautern auf Hannover 96 treffen ließ, also ohne jede Frage ein guter Tag. 40.500 Zuschauer hatten ein Ticket gekauft, die für eine Akustik sorgten, wie man sie von einem Rammstein-Konzert kennt.

Und sportlich lief sowieso alles nach Plan, weil Verteidiger Kevin Kraus mit feinem Gespür für die Dramaturgie solcher Abende erst in der Nachspielzeit das 2:1 für den Aufsteiger schoss und damit das Startsignal für Feierlichkeiten gab, die an die heranreichten, die nach dem Sieg in den beiden Relegationsspielen gegen Dynamo Dresden aufgeführt worden waren. „Wir haben das Herz auf den Platz getragen“, sagte Sieg-Torschütze Kraus dann auch angemessen pathetisch.

Tatsächlich war aber bereits der erste Lauterer Zweitliga­treffer seit 2018, den Mike Wunderlich beigesteuert hatte, das logische Produkt der von Trainer Dirk Schuster verordneten Spielweise: Von Beginn an stürzten sich die Gastgeber regelrecht in die Zweikämpfe, die sie mit grimmiger Entschlossenheit führten. So auch vor dem Führungstreffer, als Angreifer Terrence Boyd Hannovers indisponierten Verteidiger Julian Börner an der Eckfahne den Ball abluchste und sofort auf Wunderlich passte, der nur noch abzuschließen brauchte.

Gefeierte Grätschen ins Aus

Zusammen sind die beiden alten Herren im überaus routinierten Lauterer Kader 67 Jahre alt – am Freitag wirkten sie im Kontrast zum im ersten Durchgang kollektiv schläfrigen Hannoveraner Kader, als seien sie mitsamt den Kollegen gerade einem Jungbrunnen entstiegen. Schuster hatte nie das Image eines sogenannten Konzepttrainers, die von ihm trainierten Mannschaften wie Darmstadt Aue oder Augsburg spielten stets einen schlichten, kampforientierten Fußball.

Aber zum einen mag diese Art von Fußball tatsächlich in der zweiten Liga nicht unangebracht sein, zum Zweiten sah man am Freitag durchaus auch mal einen gelungenen Spielzug, bei dem der Ball am Boden blieb. Und zum Dritten ist Schuster nun bei einem Verein gelandet, bei dem das Publikum tatsächlich begeistert jubelt, wenn ein Verteidiger den Ball ins Aus grätscht. Was ja auch die bessere Idee ist, als den Gegenspieler davonziehen zu lassen.

Womit wir beim Gegner aus Hannover wären, der in dieser Spielzeit mal wieder einen Anlauf Richtung Bundesliga nehmen will, aber lange Zeit so spielte, wie Hannover in den vergangenen Jahren eben viel zu oft gespielt hat: behäbig von Kopf bis Fuß. Und mit einer Fehlerquote, die bei einem Team mit dieser individuellen Stärke nur das Ergebnis von Honig im Kopf sein kann. Da wurden aussichtsreiche Kontersituationen durch miserable erste Bälle zunichte gemacht, Seitenverlagerungen unbedrängt ins Aus verlagert und Gegenspieler erst dann attackiert, wenn sie dem eigenen Tor schon gefährlich nah gekommen waren.

Hannovers Potenzial

Den Verdacht, dass Hannover 96 reformunfähig sein könnte, muss also auch Trainer Stefan Leitl erst noch zerstreuen. Der Mann hat ja in Fürth drei Jahre lang gute Arbeit gemacht und selbst in der vergangenen Saison, als seine Mannschaft chancenlos aus der ersten Liga abstieg, viel Lob bekommen. Nicht zuletzt dafür, dass man seinem individuell grausam unterlegenen Team immer Plan, Herz und oft sogar Freude am schönen Spiel attestieren konnte.

In Hannover ist er nun der elfte Trainer in neun Jahren und hat einen Kader zur Hand, über den der Kaiserslautern-Sportdirektor Thomas Hengen zu Recht sagte, dass „da auf der Bank Spieler sitzen, die bei jedem anderen Verein spielen würden“. Das weiß auch Leitl, der in Hannover zeigen muss, dass er nicht nur aus wenig viel machen kann – sondern auch aus viel. Nach dem Spiel war er erst mal enttäuscht, „dass wir nicht zumindest den einen Punkt mitgenommen haben.“ Der zwischenzeitliche Ausgleich durch einen anderen Ex-Fürther, Havard Nielsen (80.), sei zuvor jedenfalls „längst überfällig“ gewesen.

Tatsächlich lieferte immerhin die von Leitl angeführte zweite Halbzeit Hinweise, dass sich diese Ansammlung von Hochbegabten und Hochbezahlten taktisch und mental formen lassen kann. Da war Hannover tatsächlich phasenweise deutlich überlegen. Und musste dennoch kurz vor Abpfiff hinnehmen, dass Kraus den Betze noch ein letztes Mal zum Kochen brachte.

Und da das mit dem Herunterkühlen nach einem Kochvorgang ja eine Weile dauert, sangen dreieinhalb von vier Tribünenseiten nach dem Schlusspfiff eben noch ein Viertelstündchen weiter.

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