Säuberungsaktion in der AfD: Wer kritisiert, fliegt raus
In der Thüringer AfD sind Kritiker der „Erfurter Resolution“ unerwünscht. Einer, der das Papier nicht unterzeichnet hat, wird nun ausgeschlossen.
NIENHAGEN taz | Der AfD-Landtagsabgeordnete Siegfried Gentele ist nicht mehr erwünscht. Mit „sofortiger Wirkung“ hat die eigene Fraktion im thüringischen Landtag ihren Mandatsträger am Mittwoch ausgeschlossen. In einer Pressemitteilung wagte zuvor Gentele den Fraktions- und Landesvorsitzenden Björn Höcke vorzuwerfen, er reise lieber durch Deutschland und halte Reden, als sich um seine Parteiarbeit im Freistaat zu kümmern.
„In der Thüringen AfD steht es schlecht um die parteiinterne Demokratie“, sagt Gentele der taz. Kritik scheint nicht angebracht. Mit acht zu drei Stimmen schloss die ehemals elfköpfige Fraktion Gentele wegen „grob fraktionsschädigendem Verhalten“ aus. Das Vertrauensverhältnis „nachhaltig zerrüttet“, eine „konstruktive Zusammenarbeit“ sein nicht mehr möglich.
Die Presseerklärung Genteles vom Dienstag scheint aber nur der letzte Anlass für den schnellen Rauswurf zu sein. Eine Reaktion auf seinen Vorwurf hatte Gentele erwartet, einen Rauswurf jedoch nicht, sagt er. Seit Tagen rumort es in der Fraktion wegen der von Höcke initiierten „Erfurter Resolution“. Gentele gehörte bis Mittwoch zu den drei Mitgliedern der Fraktion, die diese Resolution nicht unterschrieben haben – greift sie doch den Kurs des Bundesvorsitzenden Bernd Lucke an.
In der Resolution behauptet Höcke, dass die AfD sich „ohne Not (…) dem etablierten Politikbetrieb“ anpassen würde, dies sei „Verrat an den Interessen unseres Landes“. Zahllose Mitglieder wollten aber die AfD als eine „patriotische Alternative und Bewegung des freien Wortes“ gegen „Gender Mainstreaming, Multikulturalismus, Erziehungsbeliebigkeit“ ausgerichtet wissen.
Mit der „Deutschland-Resolution“ konterte als Mitinitiator der stellvertretende Bundesvorsitzende Hans-Olaf Henkel zur Unterstützung von Lucke: „Wer die 'Erfurter Resolution' unterschreibt“, der wolle eine „AfD der flachen Parolen und der schrillen Töne“. Die Partei brauche aber keine „wolkigen Phrasen aus dem Arsenal rechter Splitterparteien“.
Ab in die Fraktionslinie
Gentele gehörte zu den Erstunterzeichnern dieser Resolution. Ebenso wie Jens Krumpe und Oskar Helmerich. Auch auf diese beiden wird Druck ausgeübt. Sie wurden bereits Ende März schriftlich von der Fraktionsmehrheit aufgefordert, sich in die Fraktionslinie einzureihen oder ihre Sitze in den Fachausschüssen des Parlaments aufzugeben.
Dem Druck in der thüringischen Fraktion will sich Gentele nicht beugen. Ihn störte, dass Höcke bundesweit für den nationalkonservativen Kurs wirbt. Höcke sei von den Thüringern gewählt worden, um sich um Thüringen zu kümmern, was er aber nicht täte, sagt Gentele, der sich selbst als liberal-konservativ versteht.
Der kritisierte Fraktions- und Landesvorsitzenden hat Gentele mittlerweile nahegelegt sein Mandat niederzulegen und die Partei zu verlassen. Das will er sich nicht bieten lassen und nun mit juristischen Mitteln gegen Ausschluss und geplanten Rausschmiss vorgehen.
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