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Sänger Monchi trauert um Lothar KönigÜber laute Momente und leise Augenblicke

Feine-Sahne-Fischfilet-Sänger Jan Gorkow alias Monchi erinnert an seinen verstorbenen Freund Lothar König – und an seine unvergesslichen Geschichten.

Lothar König irgendwann in den 1990ern mit Jugendlichen Foto: privat
Von Monchi

Berlin taz | Er war Mensch, Kämpfer, Pfarrer, Jugendarbeiter und er war ein Lebemann. Manchmal war er ein „Arsch“. Ganz sicher hätte er diesen Zusatz bei meinen Aufzählungen selbst reingeworfen. Das ist einer der Gründe, weshalb ich ihn liebe. Bei diesen Zeilen, die ich grade schreibe, wird mein Magen flau, werden meine Augen nass.

Wie das wohl so ist im Leben, je älter man wird, desto seltener benutzt man dieses Wort „Freund“ noch gegenüber Menschen. Aber er war und ist ein Freund. Wenige Menschen haben mich im persönlichen Gespräch so oft kritisiert. So richtig, keine Floskeln, nämlich mit Substanz. Genau das Gleiche tat ich auch, immer wieder ihm gegenüber. Und egal: auch wenn die Meinungsverschiedenheit noch so intensiv war, wir uns schon geschubst haben, sie war immer hart, aber herzlich. Zwischendurch haben wir uns manchmal kurz in die Augen geschaut und geschmunzelt. Und dann weiter gestritten. Am Ende haben wir uns immer umarmt.

Ich denk an unzählige Geschichten. Ich denke zurück an die vielen Gespräche bis tief in die Nacht – über sein Leben, sein Wirken und Anecken als „Langhaariger“ in der DDR. Über die Zeit der Wende und die Jahre danach, die er immer nur „Neuzeit“ nannte. Über den NSU, der in seiner Stadt groß wurde. Lothar hat sich unbeliebt gemacht, wenn er es für richtig hielt. Und er hat Menschen Mut gemacht, nicht zu verzweifeln. Auch mir. Immer wieder.

Auch in der Jugendarbeit ist er nie die ausgetretenen Pfade gegangen. Ich denke an unsere Konzerte in seinem Lebenswerk, der Jungen Gemeinde Stadtmitte Jena. Wie er und ich zusammen aus dem Fenster gesprungen sind und uns tragen lassen haben. Wie Lothar mit mir zusammen das erste Mal in seinem Leben einen Podcast aufgenommen hat. Ich werde mir dieses Gespräch immer und immer wieder anhören, um an ihn zu denken.

Lothar König und Monchi haben viel Zeit miteinander verbracht, zum Beispiel rauchend auf diesem Balkon Foto: Suzi Mue

Wenn er stirbt muss seine Lunge unbedingt ins Museum

Einfach um seine Stimme zu hören. Wie wir beide mit einer Flasche Whisky auf dem Dach saßen und irgendwas ins Mikro grölten. Wie er zu mir sagte, dass, wenn er einmal stirbt, dass seine Lunge unbedingt in ein Museum muss, denn es sei ein Wunder, dass sie so lange durchgehalten hat. Mensch, Leute! So viele Geschichten.

Zwischen all den lauten Tönen gab es auch leise Momente zwischen uns. Von einem will ich erzählen. Als er bei mir in Rostock zu Besuch war, fuhren wir zusammen auf einem kleinen Kajütboot den Warnemünder Strand entlang. Irgendwann sagte er zu mir: „Mach mal leise.“ Er wolle die Möwen hören. Ich machte den Motor aus. Lothar öffnete seinen Rucksack, holte einen „guten Rum“ und seinen Tabak aus dem Rucksack und drehte uns beiden eine Kippe, obwohl er genau wusste, dass ich noch nie in meinen Leben Raucher war.

Ich nahm sie in den Mund, wir stießen an, rauchten zusammen, wir schauten gemeinsam aufs Meer. „Mensch, Monchi, das ist herrlich. Schau dir das an.“ Wir saßen einfach da, versuchten die Möwen, leider erfolglos, mehrfach zum Rauchen zu überreden und sprangen in die Ostsee. Über uns die Möwen.

Ich werde diesen und so viele andere Momente niemals vergessen. Ich werde Lothar niemals vergessen. Und jedes Mal, wenn wir in Thüringen ein Konzert spielen werden, dann wirst du fehlen und wir werden dich vermissen, mein Freund.

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2 Kommentare

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  • Danke. Ergreifend.

    • @Lowandorder:

      Stimmt - aus dem Leben, mit dem Sterben -



      La vie continue, aber Lothar König fehlt!