Säkularisierung in Bremen: Tanzen verboten
Innensenator Mäurer wird für einen Gesetzentwurf zum dauerhaften Tanzverbot an stillen Feiertagen von einem Parteikollegen angegriffen.
Als einen „Schlag ins Gesicht für alle Delegierten“ bezeichnet SPD-Mitglied Maurice Mäschig das Verhalten von Innensenator und Parteikollege Ulrich Mäurer. Der hat einen Gesetzentwurf vorgelegt, der die Beibehaltung des Tanz- und Veranstaltungsverbots an den sogenannten stillen Feiertagen Karfreitag, Totensonntag und Volkstrauertag beinhaltet.
Derzeit dürfen in Bremen am Karfreitag zwischen sechs und 21 Uhr und an den beiden anderen stillen Feiertagen zwischen sechs und 17 Uhr keine kommerziellen und ruhestörenden öffentlichen Vergnügungsveranstaltungen stattfinden. Damit gemeint sind Tanzveranstaltungen in Diskotheken, aber auch Konzerte oder Sportwettkämpfe.
Der Senat segnete den Gesetzentwurf bereits am Dienstag ab. Wenn nun auch die Bürgerschaft zustimmt, bleibt das Tanzverbot an stillen Feiertagen dauerhaft bestehen.
Mäschig, der sich seit 2011 für dessen endgültige Abschaffung einsetzt, kritisiert den Kurswechsel: „Die rot-grüne Regierung hat bereits 2013 eine Lockerung in Form einer Stundenreduzierung des Tanzverbots beschlossen, sowie die Abschaffung zum 28. Februar 2018“, so Mäschig. „Es wäre wünschenswert gewesen, wenn man dies auch wie geplant umgesetzt hätte“, sagt Mäschig.
Mäurer, seit 2008 Senator für Inneres, begründet den Gesetzentwurf wie folgt: „Das ist eine sehr moderate Regelung, die sich bewährt hat.“ Sie nehme Rücksicht auf die religiösen Gefühle eines großen Teils unserer christlichen Gesellschaft und schränke zugleich die nichtchristliche Bevölkerung nicht sonderlich ein. Zudem verfüge Bremen über die wenigsten stillen Feiertage im Bundesvergleich.
Mäschig, der seit November 2016 zu den Sprechern der Säkularen SozialdemokratInnen gehört, reicht das nicht: „Mit dem Verbot nimmt man den Bremer Bürgern ihr Recht, den Feiertag frei zu gestalten.“ Dass dieses Bedürfnis vielfach vorhanden sei, habe die Öffnung der Osterwiese am Karfreitag 2015 gezeigt.
Als Ausgleich für außerplanmäßige Schließungen infolge eines Sturms durften die Schausteller am Karfreitag 2015 ihre Buden ab 18 Uhr öffnen. „Die Leute strömten in Scharen auf das Volksfest“, so Laizist Mäschig. Das zeige, dass die Diskussion um das Verbot geführt werden müsse.
Das Unterbezirksmitglied greift den Innensenator scharf an: „Das Verhalten Mäurers beweist ein innerparteiliches Demokratiedefizit, er ignoriert die Beschlüsse der Parteibasis.“ Im November 2012 hatte sich der SPD- Unterbezirksparteitag Bremen-Stadt für eine Abschaffung des Tanz- und Veranstaltungsverbots ausgesprochen.
„Dieser Beschluss wird nun nicht respektiert. Das ist eine Entwertung der Delegierten“, kritisiert Mäschig. Man hätte den nächsten Parteitag abwarten sollen und dann über das Verbot diskutieren sollen. „Es bestand kein Zeitdruck, der Senator und der Landesvorstand haben die Diskussion absichtlich vermieden.“
Rose Gerdts-Schiffler, Sprecherin des Senators, begründete den Zeitpunkt des Gesetzentwurfes mit dem diesjährigen 500. Jubiläum der Reformation. „Die Debatte sollte nicht mit den Veranstaltungen im Reformationsjahr kollidieren“, so die Sprecherin. Ferner sei der Gesetzentwurf mit der SPD-Fraktion und dem Koalitionspartner besprochen worden. „Die Mehrheit steht hinter dem Tanzverbot. Dass bestimmte Gruppen oder Personen dagegen sind, kann man trotz der liberalen Regelung nicht verhindern“, sagt Gerdts-Schiffler. Die Gesetzesänderung von 2013 sei eine befristete Übergangsregelung gewesen. Der Innensenator habe nicht auf den letzten Drücker handeln wollen.
Anders als Mäurer sieht Mäschig die Diskussion nicht als beendet an. „Unabhängig von der Abstimmung im Parlament wird das Thema auch in den nächsten Jahren eine Rolle spielen. Dafür sorgt der Innensenator mit Ausnahmegenehmigungen für Veranstaltungen wie das traditionelle Galopprennen am Karfreitag oder der kommerziellen Weihnachtsmesse ‚Christmas & more‘ am Totensonntag im letzten Jahr“, sagt Mäschig. Das Rennen werde in diesem Jahr zwar letztmalig stattfinden, trotzdem illustriere dieses Beispiel die Inkonsequenz Mäurers.
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