Sachsen zieht Bilanz: Grenzöffnung senkt Kriminalität
Ein halbes Jahr nach dem Ende der Grenzkontrollen zu Polen und Tschechien die Überraschung: Die Kriminalität ist zurückgegangen. Einzige Ausnahme sind Autodiebstähle.
DRESDEN Ostdeutschlands Polizisten hatten gewarnt: Bei Demonstrationen und mit Plakaten, auf denen schon mal "Freifahrt für Terrorismus und Kriminalität" ab dem 21. Dezember 2007 in Aussicht gestellt wurde.
Denn von diesem Tag an sollten auch die Reisenden, die aus Tschechien und Polen nach Deutschland kommen, als Teil des Schengen-Abkommens an der Grenze nicht mehr kontrolliert werden. Viele Beamte dramatisierten die Lage an den Grenzen, auch weil sie ihren Abzug aus der Grenzregion verhindern wollten. Doch jetzt, gut ein halbes Jahr nach der Öffnung der Schlagbäume, zeigt eine erste Bilanz aus Sachsen: Die Kriminalität in der Grenzregion ist seitdem deutlich zurückgegangen.
In den zehn sächsischen Landkreisen, die an Polen oder die Tschechische Republik grenzen, sowie in der Stadt Görlitz wurden 26.908 Straftaten im ersten Halbjahr 2008 festgestellt. Das sind 4.849 oder 15 Prozent weniger als im ersten Halbjahr des Vorjahres, rechnet das sächsische Innenministerium vor. Zugenommen hat allein das Delikt "Diebstahl unter erschwerenden Umständen von Kraftwagen", und zwar von 191 im Vorjahreszeitraum auf aktuell 342 Fälle.
"Die Sicherheit der Bürger in den Grenzregionen ist nach über einem halben Jahr Schengenbeitritt gewährleistet. Die Kriminalität ging deutlich zurück", sagt der sächsische Innenminister Albrecht Buttolo (CDU). "Dort, wo es regional zu einer Häufung von Kraftfahrzeugdiebstählen kam, hat die sächsische Polizei gemeinsam mit ihren polnischen beziehungsweise tschechischen Kollegen sofort reagiert." Buttolos 15-Punkte-Programm, das unter anderem die Bildung von fünf Fahndungsgruppen und eine bessere Zusammenarbeit der sächsischen Polizei mit der Bundespolizei sowie ihren Nachbarn vorsieht, feiert er als Erfolg.
Der innenpolitische Sprecher der Grünen im sächsischen Landtag, Johannes Lichdi, sagt, der Kriminalitätsrückgang zeige, "dass sich alle Schreckensszenarien in Luft aufgelöst haben". Es sei "abstoßend und unverantwortlich" gewesen sei, die polnischen und tschechischen Nachbarn als Kriminelle abzustempeln. Polizeigewerkschafter aber bleiben im Kern bei ihren Warnungen.
Rainer Wendt, Bundesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft, sagt, die Betrachtung der Kriminalitätsentwicklung für nur ein einzelnes Halbjahr sei unseriös. Zudem erfasse die Statistik nur die tatsächlich festgestellten Straftaten. "Die finden jedoch nach wir vor statt, sie werden nur nicht mehr festgestellt", glaubt Wendt und führte als Beispiel illegale Einreisen an.
Sein Kollege Matthias Kubitz, Landesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP) in Sachsen, beurteilt die Statistik differenzierter. Sie bestätige zwar die Richtigkeit des 15-Punkte-Programms, das einen hohen Verfolgungsdruck erzeuge. Zugleich aber berichteten brandenburgische und tschechische Kollegen von einer Zunahme der Autodiebstähle, was Kubitz auf Verdrängungseffekte von Kriminalität aus Sachsen zurückführt.
Außerdem sei das Programm sehr personalintensiv. "Wenn ab nächstem Jahr der Abzug von 850 Bundespolizisten von den Ostgrenzen beginnt, wird sich der positive Trend in der Kriminalitätsstatistik nicht fortsetzen lassen", warnt der GdP-Landeschef.
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