Sachsen führte Neonazi als Spitzel: Rechte Polizeihelfer
Dokumente weisen auf den Einsatz von rechtsextremen Szeneangehörigen als V-Leute hin. Das Innenministerium hatte das stets bestritten.
HAMBURG taz | Die Sitzung des Untersuchungsausschusses war für den sächsischen Innenminister Markus Ulbrig (CDU) unangenehm. Am Dienstag konnte der Minister im Dresdener Landtag einen offensichtlichen Widerspruch zwischen Aussagen und Akten von der Polizei zu geführten V-Männern nicht auflösen. „Wiederholt sind Abgeordnete in diesem Zusammenhang belogen worden“, sagt Kerstin Köditz von der Landtagsfraktion die Linke.
In den vergangen Monaten hatte das Innenministerium immer wieder verneint, dass die Polizei Rechtsextreme als Spitzel genutzt hätte. Zuletzt antwortete Ulbig auf eine Kleine Anfrage, dass „im Bereich der politisch motivierten Kriminalität (PMK) seit jeher keine Vertrauenspersonen geführt“ werden. Ein Schreiben des sächsischen Staatsministerium des Innern, am 7. Mai 2008 beim Landgericht Dresden eingegangen, legt allerdings anderes nahe.
In dem Schreiben des Landespolizeipräsidenten im Kontext zu dem damaligen Prozess gegen die rechtsextreme Kameradschaft „Sturm 34“ wird der Freigabe einer Akte widersprochen. Einer der Kader der Kameradschaft, Matthias R, stand zu der Zeit unter anderem wegen des Verdachts der Bildung einer kriminellen Vereinigung vor dem Landgericht. Knapp ein Jahr zuvor hatte das Innenministerium die bis zu 40 Personen umfassende militante Gruppe aus der Region Mittweida verboten.
Ministerium: Nur Informant, kein V-Mann
In dem Schreiben, das der taz vorliegt, wird ausgeführt, das die Akten nicht freigegeben werden könnten, da „es dem Wohle des Freistaates Sachsen Nachteile bereiten würde“. Und noch deutlicher wird dargelegt, dass die „polizeiinternen Unterlagen zur Inanspruchnahme des R. als Informant“ vorschriftsmäßig in die „Informantenakte“ aufgenommen wurde.
Die Offenlegung der Akte des R. würde „polizeiliche Arbeitsweisen sowie angewendete Ermittlungsmethoden offenbaren“ heißt es weiter. Nach dem Dokument liegt nahe, das R. damals mit der Polizeidirektion Chemnitz-Erzgebirge zusammen arbeitete. Seit 2006 galt R., Mitbegründer des „Sturms 34“, als “Verräter“ „in der Szene.
„Herr R. ist selbst gekommen, wollte sich erleichtern“, sagt Frank Wend, Pressesprecher des Ministeriums der taz. R. wäre „nur Informant“, aber keine „Vertrauensperson“ gewesen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
BSW in Koalitionen
Bald an der Macht – aber mit Risiko
Dieter Bohlen als CDU-Berater
Cheri, Cheri Friedrich
Selbstzerstörung der FDP
Die Luft wird jetzt auch für Lindner dünn
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“