Saba Shakalio über den weiblichen Zyklus: „Leistungsreserve der Frauen“
Die Sportwissenschaftlerin Saba Shakalio untersucht die Menstruationszyklen von Wasserballerinnen. Forschung beziehe sich meist auf Männerkörper.
taz: Frau Shakalio, performen Sportlerinnen schlechter, wenn sie gerade ihre Tage haben?
Saba Shakalio: Nein, das ist ein Mythos, dass man während der Tage eine schlechtere Leistungsfähigkeit hat. Es kann auch andersrum sein. Es gibt Sportarten, bei denen Frauen während der Periode eine bessere Leistungsfähigkeit haben. Zum Beispiel beim Schwimmen. Wenn die Periode mit Schmerzen verbunden ist, kann das die Leistungsfähigkeit aber trotzdem beeinflussen. An sich hat die Periode aber nicht unbedingt negative Konsequenzen für die Leistung.
28, studierte in Teheran, Hamburg und Köln Sportphysiotherapie und Sportwissenschaften. Sie arbeitet als Physiotherapeutin, Leistungsdiagnostikerin und Athletiktrainerin der Frauen-Mannschaft des FC St. Pauli. Zudem forscht sie gemeinsam mit der Sporthochschule Köln zu menstruationszyklusbasiertem Ausdauertraining und der Auswirkung des weiblichen Zyklus auf die sportliche Leistung.
Der Menstruationszyklus wurde im Sport bisher selten ins Training einbezogen. Wieso?
Weil viel Arbeit hinter einem individualisierten Trainingsplan für Frauen steckt. Und die Forschungslage in den Trainingswissenschaften ist bezüglich Frauen dünn. Dort gibt es noch wenig Daten zum Menstruationszyklus. Im Bereich der Trainingsoptimierbarkeit und der Regenerationsfähigkeit beziehen sich die Forschungen bisher nur auf männliche Athleten. Dabei haben Frauen ein komplett unterschiedliches hormonelles und physiologisches Profil und man kann sie sogar gefährden, wenn man sie genauso trainiert wie Männer.
Inwiefern?
Es gibt Krankheiten unter Leistungssportlerinnen, wie etwa die Female Athlete Triade. Dabei können Osteoporose und Menstruationsstörungen entstehen. Um das Risiko solcher Krankheiten für Athletinnen zu minimieren, sollte die Trainingsintensität auf den Zyklus angepasst werden.
Wenn es um Männerkörper geht, gibt es also viele Studien und in Bezug auf Frauen noch sehr wenige?
Ja, denn der Menstruationszyklus wird oft als ein Störfaktor gesehen und in der Forschung will man diese vermeiden. Oft werden Forschungsergebnisse von Männern auf Frauen bezogen, was nicht korrekt ist. Frauen haben eine unglaubliche Leistungsreserve und können damit im Leistungssport „trainierbarer“ sein als Männer.
Was meinen Sie damit genau?
Bei Männern diskutiert die Forschung darüber, ob die Leistungsfähigkeit in Bereichen wie Sprint ausgeschöpft ist. Bei Frauen ist das nicht der Fall. Wir werden in der Zukunft schnellere, kräftigere Frauen sehen, wenn sich denn die Forschung auf sie fokussiert und sie einen richtigen Trainingsplan bekommen. Dafür müssen sich auch die Trainer*innen mehr informieren und mehr über die weibliche Physiologie lernen. Frau sein reicht dabei nicht, um einen guten Trainingsplan zu schreiben.
Sie erforschen aktuell zusammen mit der Sporthochschule Köln, wie sich die Leistungsfähigkeit der Hamburger Bundesliga-Wasserballmannschaft ETV während der Zyklusphasen verhält. Wie genau untersuchen Sie das?
Ich messe die Leistungsfähigkeit im Wasser innerhalb von unterschiedlichen Phasen des Zyklus. Zuerst mache ich eine Zyklusdiagnostik, um Auffälligkeiten bei den Athletinnen festzustellen. Das mache ich mit Sensoren, die die Körpertemperatur und damit den Eisprung feststellen. Damit kann ich sehen, in welcher Zyklusphase sich die Athletinnen gerade befinden und ob es große Leistungsschwankungen gibt. Leistung messe ich anhand der Schwimmzeiten.
Wie haben die Wasserballerinnen reagiert, als Sie ihnen gesagt haben, dass Sie deren Zyklen untersuchen wollen?
Sie waren sehr interessiert zu wissen, wie ihre Leistungsfähigkeit ist. Oft wussten insbesondere die etwas älteren Sportlerinnen schon, dass sie als Schwimmerinnen während des Monats eine unterschiedliche Leistungsfähigkeit haben, aber es wurde ihnen nie erklärt. Im Wasserball fällt es extrem auf, wie sich die Leistung verändert. An manchen Tagen geht es gar nicht, und an anderen fühlt man sich wie eine Rakete im Wasser.
Was versprechen Sie sich von dem Projekt?
Mehr über die Trainierbarkeit und die Anpassungsprozesse ans Training während der verschiedenen Zyklusphasen zu erfahren. In welcher Phase sich die Athletinnen schneller regenerieren und in welcher Phase sie intensivere Trainingseinheiten absolvieren können. Dadurch können wir langfristig die Leistung verbessern, ohne die Sportlerinnen gesundheitlich zu gefährden.
Was wird sich im Leistungssport verändern, wenn dem Menstruationszyklus dort mehr Aufmerksamkeit gegeben wird?
Wir werden eine Verbesserung der Athletinnen sehen. Das zeigt sich jetzt zum Beispiel schon beim Fußball, wo Frauen immer bessere Leistungen erbringen. Die amerikanische Frauenfußballnationalmannschaft und auch andere Vereine trainieren inzwischen menstruationszyklusbasiert. Es geht aber auch darum, die Frauen zu schützen, damit sie sich nicht verletzen oder Krankheiten entwickeln. Um das zu ermöglichen, brauchen wir aber mehr Daten und mehr Unterstützung bei der Genderforschung im Leistungssport.
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