piwik no script img

SPD und MigrantenSarrazins schweres Erbe

Doppelpass-Versprechen und neues Personal: Die SPD will das Vertrauen von Bürgern mit Migrationshintergrund wiedergewinnen.

Die Causa Sarrazin hat die SPD schwer geschädigt Bild: dpa

BERLIN taz | „Ich kann den Namen nicht mehr hören“, entfährt es Aydan Özoguz während einer Diskussion in der Türkisch-Deutschen Industrie- und Handelskammer in Berlin. Gerade wollte die SPD-Spitzenpolitikerin all die schönen Argumente aufzählen, die Migranten von der Wahl ihrer Partei am kommenden Sonntag überzeugen sollen. Doch wieder wird sie, wie so oft, auf den verunglückten Umgang der SPD mit Thilo Sarrazin angesprochen.

Bei dieser Wahl spielt Integration zwar keine große Rolle. Aber die SPD ist bemüht, die Scharte auszuwetzen, die Sarrazin mit seinen Thesen über dumme Einwanderer hinterlassen hat.

Dafür hat sich die Partei, nachdem auch das zweite Ausschlussverfahren gegen den Rassisten in ihren Reihen 2011 kläglich scheiterte, einen deutlichen Ruck gegeben. Sie hat sich eine „Migrantenquote“ für ihre Führungsgremien verordnet und die Hamburgerin Aydan Özoguz in den Vorstand berufen.

Im Wahlkampf tritt die SPD mit dem Versprechen an, die doppelte Staatsbürgerschaft generell zuzulassen. Und nie zuvor schickte sie so viele Kandidaten ins Rennen, die einen Migrationshintergrund besitzen. Einer kam bei der Bayern-Wahl jetzt schon durch: Der Nürnberger Zollinspektor Arif Tasdelen, 39, zieht nun für die SPD als erster Einwanderer in den Bayrischen Landtag ein.

Im Sommer wurde zudem eine bundesweite SPD-„Arbeitsgemeinschaft Migration und Vielfalt“ ins Leben gerufen. In allen Landesverbänden gibt es solche Arbeitsgemeinschaften jetzt – am längsten in Berlin, dort existiert sie schon seit 1997. Eine solche AG könne als Netzwerk dienen, um „Themen und auch Personen nach vorne zu bringen“, erklärt Aziz Bozkurt, der Berliner AG-Vorsitzende.

Als Erfolge rechnet er sich die Karrieren des SPD-Fraktionschefs Raed Saleh und der Arbeitssenatorin Dilek Kolat in Berlin sowie das Berliner Integrationsgesetz an.

Buschkowsky ist gegen Doppelpass

Oft aber bestimmen andere das Bild der Partei: Neuköllns Bezirksbürgermeister und Boulevard-Lautsprecher Heinz Buschkowsky etwa, der den Doppelpass ablehnt. „Kaputtgemacht ist schneller als wiederaufgebaut“, sagt Aziz Bozkurt dazu nur.

„Aber die Beharrlichkeit im Hintergrund zahlt sich aus“, gibt er sich überzeugt. Die SPD müsse sich wieder als Partei des sozialen Aufstiegs profilieren, fordert Bozkurt. Denn: „Was früher das katholische Milieu auf dem Lande war, das sind heute manche Migrantenmilieus.“

Die Berufung der Bildungsexpertin Yasemin Karakasoglu in Peer Steinbrücks „Kompetenzteam“ weist in diese Richtung. Die Bremer Erziehungswissenschaftlerin streitet für eine interkulturelle Öffnung und eine Internationalisierung des deutschen Bildungssystems, sie will es auch sozial durchlässiger gestalten. Geht es nach der SPD, könnte sie demnächst Bildungsministerin sein.

Kopftuch verteidigt

„Die Partei ist sich bewusst, dass sie damit auch Wähler verschrecken kann“, räumt Karakasoglu allerdings ein. Denn für stramme Kulturkämpferinnen wie Alice Schwarzer ist sie ein Feindbild, weil sie einst das Kopftuch bei angehenden Lehrerinnen verteidigte. „Islam ist nicht mein Kernthema. Aber ich stehe für einen unverkrampften Umgang mit dem Thema“, betont die Wissenschaftlerin.

Der Wahlkampf für die SPD macht ihr Spaß, auch wenn ihr gerade bei türkischstämmigen Migranten auch Skepsis begegnet. „Sarrazin hat viele verletzt. Da muss ich viel Überzeugungsarbeit leisten“, hat sie fest gestellt.

Auch der Einsatz für den Doppelpass überzeugt nicht alle: „Viele fragen mich, warum die SPD das jetzt durchsetzen will, wenn sie in dieser Frage schon einmal einen Kompromiss eingegangen ist? Denen erkläre ich, dass Sie damals keine Mehrheit im Bundesrat hatte.“ So ringt sie täglich um die Glaubwürdigkeit der SPD.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

22 Kommentare

 / 
  • EF
    Ernst Friedrich

    Ella:"Für die Nazis waren Menschen, die ihren Hass nicht teilten, "Judenfreunde".

    Ihre Unterstellung, Herr Bax sei jemand, der Migranten lieber möge als "Deutsche ohne Migrationshintergrund", offenbart exakt dieselbe Denke, und zwar deutlich."

     

     

    Eine Gruppe lieber zu mögen als eine andere, mit Hass auf diese andere Gruppe -insbesondere dem Nazihass auf Juden- gleichzusetzen, scheint nicht nur stark überzeichnet zu sein, sondern auch einem unbändigen Hass auf jene Viccy zu entspringen; auf ideologische Verbohrtheit allein, ist es wohl schwerlich zurückzuführen.

  • G
    Gast

    Doppelpass ist auch keine Lösung. Die Ein- und Auswanderungsstaaten sollen sich zusammensetzen und eigene Mitgliedschaften für glokale (globale + lokale) Bevölkerungen schaffen. Und zwar für alle Matrosen, Diplomaten, Migranten, Nomaden, Wanderarbeiter, Saisonarbeiter, Öl-Platform Beschäftigte, Fernfahrer, Sprachlehrer, Informatiker, Ethnologen...Transnationale Mitgliedschaften gibt es bei der EU Unionsbürgerschaft und im Commonwealth Citizenship. Es sollte kein Problem sein für Teilmengen der Bevölkerung Rechtssicherheit zu schaffen beim Wirtschaftsrecht, Familienrecht, ...

  • G
    gerstenmeyer

    stand im focus-

     

     

    Marieluise Beck: Es kann für Migranten eine Integration de luxe geben oder ein schlichteres Modell. Für Sprach- und Integrationskurse allein rechnen wir mit rund einer Milliarde Mark bei 250 000 Kursbesuchern im Jahr. Das ist allerdings die bescheidene Variante ohne Lebensunterhalt. Die tatsächlichen Kosten der Integration sind weitaus höher.--ist auch nicht von buschkowski

    ist

  • Wer Typen wie Sarrazin und Buschkowsky in seinen Reihen hat, muss sich echt anstrengen. Oder die oben genannten loswerden.

  • KG
    Kein Gast

    Dummheit kann man Ihnen wahrlich nicht vorwerfen, wo doch genau ihre Klientel natürlich nicht das Buch gut gefunden hat, das ist klar, aber vermuten Sie doch bitte nicht beim Rest der Bevölkerung selbige, und das diese es nicht durchschauen würde, wie sie mit einem Schlag den schwarzen Peter dem abgehangenen Drittel der deutschstämmigen Bevölkerung anhängen wollen, die so nach S. lechzte.

    Denn das, das ist ein bekannter Mechanismus, nachdem ihre Ökolatte und höhere Beamten grün-rote Koalition die sozialen Daumenschrauben angezogen hat.

     

    Herr Bahr, Sie können sich anscheinend nicht im Ansatz vorstellen, wie beleidigend alleine die Überschrift wirkt!

    Oder schlimmer, es ist Ihnen egal.

    • @Kein Gast:

      Äh - wen genau soll die Überschrift jetzt beleidigen??

      • KG
        Kein Gast
        @Ella:

        Das geht aus meinem Text durchaus hervor. Ich habe keinerlei Ambition mich auch für den letzten verständlich auszudrücken.

        • @Kein Gast:

          Es geht aus Ihrem Text natürlich nicht hervor, sonst hätte ich nicht gefragt.

           

          Unnötig war hingegen zu erwähnen, dass Sie keine Ambitionen haben, sich verständlich auszudrücken.

  • KG
    Kein Gast

    Den fruchtbaren Boden, auf den das Gift im roten Buch tropfte, den haben SPD und Grüne Sarrazin bereitet.

    So billig kann man sich die Sache auch nicht hindrehen!

    • @Kein Gast:

      Warum tun Sie's dann?

      • KG
        Kein Gast
        @Ella:

        Aufgrund von Verständnisschwierigkeiten, die Ihr anderer Post aufzeigt, wäre mein Rat, sparen Sie sich die Zeit auf meine Beiträge zu Antworten.

        • @Kein Gast:

          Danke für diese selbstlose Empfehlung, aber für solche Perlen der Weisheit verplempere ich meine Zeit doch gerne, "kein Gast"!!

  • Herr Bax, vielleicht antworten Sie ja auf meine Frage:

     

    Sind Ihnen Menschen mit Migrationshintergrund prinzipiell angenehmer als Deutsche ohne Migrationshintergrund?

    • @Viccy:

      Erstaunlich, was eine einfache, klare Frage bei manchen Schubladendenkern doch für schmalspurige Reflexe auslösen kann. Ich hab jeden Tag Migranten um mich - ne, nicht aus Bayern oder Hamburg - und ich wähle die Linkspartei.

       

      Aber ein euren Lordschaften unangenehmes Wörtlein und man wird mit der Nazi-Keule attackiert. Mir gehts im Grunde am Arsch vorbei, aber blöd ist das schon, Leute.

      • @Viccy:

        Für den Eindruck, den Sie hier hinterlassen, kann logischerweise nur relevant sein, was Sie an Meinung vortragen. Wen Sie wählen, kann ohnehin keiner überprüfen. Es ist auch unerheblich. Denn nicht nur eingetragene NPDler sind Rassisten - siehe Sarrazin.

         

        Die, wie Sie sagen, "einfache, klare Frage" an Herrn Bax, um die es hier geht, war in Wahrheit eine einfache, klare Unterstellung.

         

        Für die Nazis waren Menschen, die ihren Hass nicht teilten, "Judenfreunde".

        Ihre Unterstellung, Herr Bax sei jemand, der Migranten lieber möge als "Deutsche ohne Migrationshintergrund", offenbart exakt dieselbe Denke, und zwar deutlich.

        • @Ella:

          Übrigens, Sarrazin hat erklärt, er hätte gar nichts dagegen, wenn sich mehr und mehr Vietnamesen in Deutschland heimisch machen, da sie im Schnitt einen um 15% erhöhten IQ im Vergleich zu den "Ureinwohnern" hätten.

           

          Das ist definitiv KEIN Nazi-Rassismus. Also lass lächerliche Begriffe wie "Judenfreund" und so was doch einfach stecken.

           

          Wenn jeder, der differenziert/unterscheidet/seine Intelligenz benutzt, für Dich "Nazi" ist, dann ... ist es Dein Problem :-)

          • 1G
            1326 (Profil gelöscht)
            @Viccy: Kommentar wurde entfernt.
        • @Ella:

          Ich kenne halt inzwischen viele Artikel von Herrn Bax.

           

          Und für den Eindruck, den man bei anderen hinterlässt, ist logischerweise deren Wahrnehmungsraster ("Realitätstunnel") durchaus von Relevanz.

    • PA
      Preisfrage an Viccy
      @Viccy:

      Gegenfrage: Was der Kommentar von Viccy mit dem Artikel zu tun?

      A: jarnischt

      B. nicht die Bohne

      C: Der als Frage formulierte Kommentar ist eine rethorische Frage mit der impliziten Aussage, dem Kommentator seien Menschen mit Migrationshintergrund (also etwa Bayern die nach hamburg ziehen) generell unangenehm; insofern erfolgt keine Diskriminierung, da er mit allen zu dieser Kategorie zählenden Menschen nix zu tun haben möchte (außer im Urlaub)

    • M
      Migrant
      @Viccy:

      Herr Bax, warum müssen wir Migranten uns eigentlich täglich das Gesülze von PI-Nazis auf taz.de ansehen?

      • @Migrant:

        Oder wir Nicht-Migranten....

  • DP
    Die Partei Die Partei hat iiiimmer recht..

    na also meine Wahl steht fest: die Partei Die Partei. Ihr gnadenlos ehrlicher Wahlkampfslogan ist einfach überzeugend:Die Partei: sie ist sehr gut