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SPD und LinksparteiLinke Ministerpräsidenten erlaubt

Die SPD öffnet sich erstmals seit Jahren für einen Ministerpräsidenten der Linkspartei. Diese hat derweil einen Zankapfel aus ihrem Europa-Programm beseitigt.

SPD Generalsekretärin Fahimi: „Es ist mein Auftrag, während der Großen Koalition die Gespräche zu allen anderen Parteien sicherzustellen“. Bild: reuters

HAMBURG/BERLIN afp/rtr | Die SPD will die Wahl eines Politikers der Linkspartei zum Ministerpräsidenten eines Bundeslands nicht mehr grundsätzlich ausschließen. „Da ist der Landesverband völlig autonom“, sagte SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi dem Spiegel. Bislang ist die SPD Koalitionen mit der Linken auf Landesebene nur dann eingegangen, wenn sie selbst als größerer Partner den Regierungschef stellte.

Bei der Landtagswahl in Thüringen im September könnte Umfragen zufolge eine Situation entstehen, in der die SPD als Juniorpartner eine Mehrheit mit der Linkspartei hätte. Der Linken-Politiker Bodo Ramelow rechnet sich dort Chancen aus, als erster Politiker seiner Partei Ministerpräsident zu werden. Der damalige SPD-Vorsitzende Franz Müntefering hatte bei der letzten Landtagswahl in Thüringen 2009 eine linke Führungsrolle noch strikt abgelehnt.

Fahimi will als Generalsekretärin auch das Gespräch mit der Linkspartei auf Bundesebene suchen. „Es ist mein Auftrag, während der Großen Koalition die Gespräche zu allen anderen Parteien sicherzustellen“, sagte sie dem „Spiegel“. „Ich setze auf das Gespräch und auf belastbare Kontakte, weil ich glaube, dass die Koalitionsfrage am Ende eine Vertrauensfrage ist.“

Koalitionen seien nicht nur eine Frage der Beschlussfassung, sagte Fahimi. „Sie brauchen Personen, die sich am Ende anschauen und sagen, ich kann mich darauf verlassen, dass wir gemeinsam den verabredeten Weg gehen.“

Europa nicht länger „neoliberale, militaristische und weithin undemokratische Macht“

Der Vorstand der Linkspartei hat derweil einen für die Europawahl umstrittene Passage aus seinem Programmentwurf gestrichen und damit eine Woche vor ihrem Parteitag einen Zankapfel beseitigt. Auf die Wertung der Europäischen Union als „neoliberale, militaristische und weithin undemokratische Macht“ in der Präambel sei verzichtet worden, bestätigte Parteisprecher Alexander Fischer am Sonntag Angaben aus Parteikreisen. Fraktionschef Gregor Gysi hatte bereits öffentlich diese Formulierung als überzogen kritisiert. Die Wortführerin der Fundamentalisten in der Linkspartei, Sahra Wagenknecht, verteidigte dagegen die jetzt gestrichene Passage.

Bundesgeschäftsführer Matthias Höhn teilte auf seiner Facebook-Seite mit, dass viele Änderungsvorschläge in den Entwurf des Vorstandes eingearbeitet wurden. „Das wird ein guter Programmparteitag – und auch für die vieldiskutierte Präambel zeichnet sich ein guter Weg ab“, erklärte Höhn.

In der Partei wurde befürchtet, dass anhand der jetzt gestrichenen Formulierung der Streit zwischen Pragmatikern und Fundamentalisten wieder offen ausbrechen könnte. Seit Jahren ringt die Linkspartei mit sich, wie weit sie SPD und Grünen entgegenkommen sollte, um eine Regierungsbeteiligung zu ermöglichen. Die Pragmatiker sind eher zu Zugeständnissen bereit – etwa eine auch für andere Parteien zu akzeptierende Wertung der EU. Die Fundamentalisten fürchten dagegen einen Verrat sozialistischer Ideale.

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10 Kommentare

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  • S
    Sören

    Der Pragmatismus der SPD ist hier richtig. In den mitteldeutschen Bundesländern hat sie kaum Chancen, den MP zu stellen, deswegen muss sie sich die Option eines Linken-MP offen lassen. Die Alternative wären permanente "große" Koalitionen oder Schwarz-Grün.

     

    Die Linke muss sich in dieser Legislaturperiode zwischen Pragmatismus/Realismus oder Dogmatik und verstaubter Ideologie entscheiden. Mit Blick auf die Altersstruktur von Wählern und Mitgliedern, und der abnehmenden Attraktivität auf Protestwähler hat sie keine andere Chance, als sich zu modernisieren.

     

    Es ist positiv, wenn die unsinnigen Behauptungen in Bezug auf die EU gestrichen werden. Es ist ein trauriger Versuch, mit nationalistischen Tönen der AfD das Wasser abzugraben, so kann die Partei auf Dauer aber keinen Erfolg haben und zu einer berechenbaren Kraft werden. Aber natürlich ist auch ein gewisses Klientel der Linken anfällig für solche Ideen - nicht umsonst war in der DDR-Ideologie viel von "Nation" zu hören.

  • H
    Hans

    „neoliberale, militaristische und weithin undemokratische Macht“

     

    Wo ist der Gegenbeweis? Zwar ist das Europaparlament demokratisch legitimiert, doch die Europäische Kommission, welche die Exekutive und manchmal auch mehr ausführt, ist nur indirekt legitimiert, durch die Wahlen in den einzelnen Ländern. Neoliberal würde die EU wahrscheinlich nicht mal abstreiten. Für die einen das wirtschaftliche Gütesiegel, für die anderen eine unsoziale Politik. Militaristisch? Na sowas von. Die NATO ist keine Kaffekranzrunde. Rohstoffsicherung in Afghanistan, Irak, Afrika, etc. Man muss sich nur die Rede von Gauck auf der Münchner Sicherheitskonferenz anhören und weiß bescheid.

     

    Eine sozial gerechte und demokratischere EU wäre durchaus wünschenswert. Und Engagement in Krisenregionen kann auch die UN machen.

  • M
    m@xe

    und auch die TAZ...

    Gysi, Bartsch und andere werden immer wieder mit so positiv besetzten Wörtern, wie Realo, Reformer und wie hier Pragmatiker benannt. Dabei dürfte es schon lange her sein, dass eine Reform in unserer Republik diesen Namen auch verdient hätte. Und wozu dieser Flügel in Regierungsverantwortung fähig ist, kann jeder in Berlin und Brandenburg sehen.

    Dabei verhält es sich genau andersherum. Wer möchte denn handeln (abgeleitet von Pragma) wer möchte denn grundlegend umgestalten (...formatio)??? Die von Ihnen "beschimpften" Fundamentalisten, sie sind die eigentlichen Reformer, die eigentlichen Pragmatiker. Bleibt nur noch zu klären, welchen Namen die von Ihnen so genannten Pragmatiker verdient hätten. Ich wäre ja für accommodatussen - befürchte aber, dass sich das nicht durchsetzen wird ;)

  • Den Versuch wäre es allemal wert. Ich befürchte nur, dass die Konzepte der Linken mit Rot-Grün nicht durchzusetzen sind, sondern dass die Linke, nachdem sie erst mal vom süßen Nektar der Macht gekostet, sich mehr und mehr mäßigen und anpassen würde ...

    • L
      LinkenwählerIn
      @Gemeiner Hai:

      Wir haben in Berlin leider genau dies unter Rot-Rot erlebt.

      • @LinkenwählerIn:

        Ja, das ist leider wahr - man könnte meinen, "Was tun?" wurde in diesem Jahrhundert mit Bezug auf Die Linke verfasst ... Aber ich hoffe doch sehr, dass Die Linke Berlin nicht repräsentativ für die Gesamtpartei ist.

    • N
      NEU
      @Gemeiner Hai:

      Es läuft immer auf einen Kompromiss hinaus, keiner bekommt 100%.

      • @NEU:

        Das mag durchaus sein. Aber die Linkspartei hat einen revolutionären, antikapitalistischen Anspruch, und deshalb wäre ich vehement dagegen, dass sie diesen durch Anpasserei aufgibt. Die Linke sollte nicht den Fehler machen, für den Spatz in der Hand die Taube auf dem Dach zu vergessen ...

  • E
    Europäer

    Auch nicht-Fundamentalisten können sich sicher ihren Reim machen auf Privatisierungsversuche von öffentlichen Güten, geheime ACTA Verhandlungen (die auf Grund von öffentlichen Protest erst gescheitert sind), transatlantisches Freihandelsabkommen mit Investorenschutz, militärische Unterstützung von Ländern wie Frankreich die wieder ein bisschen in ihren ehemaligen Kolonien mitmischen wollen etc.

    Ich bin eher darüber Verwundert, dass das Projekt EU immer noch so vehementen Rückhalt aus Reihen von SPD und Grünen erhält. Die Fundamentalisten in der Linken haben eigentlich nur das Offensichtliche artikuliert, dazu muss man noch nicht einmal Sozialist sein um das zu erkennen..

  • N
    NEU

    Jetzt umarmt die Mitte die Linke, mal schauen was dabei raus kommt.