SPD und Europawahl: Sozialoffensive mit Schwächen
Der SPD-Vorstand beschließt ein Europaprogramm, das „in die Zukunft investiert“. Spitzenkandidatin Katarina Barley wirbt für „soziale Sicherheit“.
Katarina Barley, 50, außerdem noch Bundesjustizministerin, ist die personifizierte Hoffnung der SPD für die Wahl am 26. Mai. Die charismatische Kandidatin soll die SPD zumindest in Sichtweite der 27,3 Prozent hieven, die die Partei vor fünf Jahren schaffte. Im Moment schöpft die SPD ja wieder Hoffnung: Die Führung steht geschlossen hinter dem neuen Sozialstaatskonzept und dem moderaten Linksschwenk, eine aktuelle Emnid-Umfrage sieht die SPD bei 19 Prozent. Barleys Mission ist also vielleicht nicht so hoffnungslos, wie es noch im Oktober schien, als die SPD-Spitze sie nominierte.
Der Parteivorstand hat am Montag einstimmig ein Wahlprogramm für die Europawahl beschlossen. Der 31-seitige Text, der im März von einem Parteikonvent beschlossen werden soll, setzt starke Akzente in der Sozial- und Steuerpolitik. Die SPD will sich auch hier als Partei des Zusammenhalts präsentieren. Alle Menschen sollten spüren, dass Europa für sie da sei, betont Barley. Die SPD wolle „ein soziales Europa, das in die Zukunft investiert und in soziale Sicherheit.“
SPD-Plan: eine globale Midestbesteuerung bis 2020
So wirbt die Sozialdemokratie zum Beispiel für armutsfeste Mindestlöhne in Europa. Kein Vollzeitlohn in der EU solle unter der nationalen Armutsschwelle liegen, heißt es im Programmtext. „An jedem Ort in Europa sollen die Menschen von ihrer Hände Arbeit leben können“, sagt Barley. Ein Sofortprogramm soll jungen Leuten unter 25 Jahren einen Ausbildungsplatz garantieren. Außerdem will die SPD einen europäischen Fonds einführen, aus dem im Notfall Sozialleistungen ausgezahlt werden sollen. Jener werde in guten Zeiten von den Mitgliedsstaaten gefüllt. Während einer Krise könnten sie Kredite beanspruchen, um ihre Arbeitslosenversicherungen zu unterstützen.
In der Steuerpolitik will die SPD erreichen, dass auch weltweit operierende Großunternehmen wie Facebook oder Amazon Steuern zahlen – die dies durch geschickte Gewinnverschiebung in Niedrigsteuerländer oft vermeiden. „Auch die digitalen Unternehmen müssen ihren Beitrag zur Finanzierung des Gemeinwesens leisten“, heißt es im Programm – bis Ende 2020 solle es deshalb eine globale Mindestbesteuerung geben.
Solche Forderungen sind schnell aufgeschrieben, in der Praxis aber schwer umzusetzen: In der EU leisten Irland, Dänemark und Schweden Widerstand gegen eine Einigung, die einstimmig erzielt werden müsste. Auch deshalb fordert die SPD weiter, das „lähmende Einstimmigkeitserfordernis“ abzuschaffen. Nach dem Willen der SPD soll künftig die Mehrheit der StaatschefInnen im europäischen Rat über Steuerfragen entscheiden. Außerdem will sie härter gegen Steuerflucht kämpfen – durch Meldepflichten für Banken, das Einfrieren verdächtiger Guthaben und bessere Strafverfolgung.
Ihre eigene Vergangenheit schiebt die SPD bei ihrer Sozialoffensive bewusst beiseite. Schließlich hat sie in der Großen Koalition die harte Sparpolitik mitgetragen, die die deutsche Regierung zusammen mit anderen EU-Staaten gegen Griechenland durchsetzte. Die Griechen wurden zu weit reichenden Privatisierungen und Sozialkürzungen gezwungen, bevor sie Hilfen beanspruchen durften. Heute schreibt die geläuterte SPD: „Es ist ein Irrglaube, dass durch reines Sparen und den Rückzug des Staates breite Teile der Bevölkerung oder gar alle profitieren.“
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