SPD legt Steuer-Konzept vor: Wahlkampf mit Reichensteuer
Die SPD legt ein neues Steuer-Konzept vor. Die Steuern für Spitzenverdiener sollen steigen, mittlere und untere Einkommen entlastet werden - aber erst ab 2012.
BERLIN taz In der anschwellenden Dauerdebatte über mögliche Steuersenkungen konnte die SPD nicht länger schweigen: Nun haben auch die Sozialdemokraten zumindest "Orientierungspunkte" für ein "integriertes Steuer- und Abgabensystem". SPD-Chef Kurt Beck und Finanzminster Peer Steinbrück stellten es am Dienstag gemeinsam vor.
Der einzige eigenwillige Vorschlag: Die SPD will die Reichensteuer reformieren. Bisher wird für Ledige erst ab einem jährlichen Einkommen von 250.000 Euro ein Steuersatz von 45 Prozent fällig. Diese Grenze soll auf 125.000 Euro sinken. Die Union hat jedoch prompt wissen lassen, dass man gegen höhere Steuern für Spitzenverdiener sei. Die Reichensteuer dürfte also erst wieder im SPD-Wahlprogramm auftauchen.
Ansonsten verriet schon der Titel des SPD-Papiers, dass dieses Steuerkonzept möglichst wenig Neues versprechen will. Programmatisch heißt es: "Konsolidieren - Investieren - Entlasten". Damit hat sich Finanzminister Steinbrück vorerst durchgesetzt, der den Haushalt sanieren und bis 2011 die Neuverschuldung auf eine schwarze Null drücken will. "Der Bundesfinanzminister hat die volle Unterstützung der SPD", versicherte Beck. Seine Partei wolle nicht bei der "Steuerhysterie" mitwirken.
Stattdessen konzentriert sich die SPD bis 2011 darauf, bei den Steuern nur umzusetzen, was sowieso unvermeidlich ist. So hat das Bundesverfassungsgericht bereits gefordert, dass die Kosten für private Krankenversicherungen stärker bei der Steuer angerechnet werden können. Von diesem Urteil sollen nach SPD-Willen jedoch auch die Versicherten der gesetzlichen Krankenkassen profitieren. Im Herbst steht dann ein weiteres Urteil des Bundesverfassungsgerichts an: zur Pendlerpauschale. Bisher können die ersten 20 Kilometer nicht von der Steuer abgesetzt werden. Wahrscheinlich dürfte das Gericht jedoch verlangen, dass jeder Fahrtkilometer ab der Wohnungstür zählt. Und schließlich folgt im Herbst der neue Existenzminimumsbericht. Aus ihm dürfte hervorgehen, dass das Kindergeld und die Kinderfreibeträge steigen müssen. Die SPD würde dabei gern erreichen, dass "alle Kinder gleich viel wert" sind. Denn bisher profitieren vor allem die Besserverdienenden von den Kinderfreibeträgen: Wer den Spitzensteuersatz von 42 Prozent zahlt, spart durch ein Kind besonders viel.
Erst ab 2012 will die SPD behutsam umsteuern. Durch das Wirtschaftswachstum rechnet Steinbrück dann im Bundeshaushalt mit jährlichen Mehreinnahmen von 5 bis 6 Milliarden Euro - sie sollen in die Sozialversicherungen fließen, um die Beiträge für Arbeitnehmer und Arbeitgeber zu reduzieren. Dadurch könnten die Sozialabgaben jährlich um 0,5 Prozentpunkte sinken. Momentan liegen sie bei knapp 40 Prozent.
Immer wieder rechnete Steinbrück vor, dass es nicht die Steuern sind, die die Gering- und Normalverdiener belasten. So zahlt eine Familie mit zwei Kindern bis zu einem Bruttoeinkommen von 37.610 Euro heute keine Steuern mehr - wenn man das gezahlte Kindergeld gegenrechnet. Aber an Sozialabgaben werden 7.300 Euro fällig.
Die SPD-Linken haben daher im Vorfeld gefordert, dass die Sozialabgaben - wie die Steuern - progressiv erhoben werden. Doch dazu schweigt das Papier. "Das ist noch nicht abschließend diskutiert", sagte Steinbrück nur.
Die nächste Gelegenheit zur Diskussion bietet sich auf dem SPD-"Zukunftskongress", der am Samstag in Nürnberg stattfindet. Dort kommen 2.800 Genossen zusammen. Beck und Steinbrück betonten aber, dass der Kongress "kein Beschlussorgan" sei.
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