SPD als Sprachrohr der Energielobby: Koalition auf CO2

Die Kohle-Konzerne suchen nach neuen Verbündeten in der kommenden Bundesregierung. Frau Kraft übernimmt, ihre SPD-Umweltleute murren.

Ist doch toll für die Landschaftsgestaltung: Braunkohlebagger im Abbaugebiet bei Erkelenz. Bild: dpa

BERLIN taz | Bis zur Bundestagswahl waren die Fronten klar. CDU-Umweltminister Peter Altmaier durfte in der Regierung den modernen Energiewendefreund geben – FDP-Wirtschaftsminister Philipp Rösler kümmerte sich derweil darum, alles zu blockieren, was der Wirtschaft energiepolitisch nicht passte. Nun, wo die FDP aus Bundestag und Regierung geflogen ist, braucht die Industrielobby neue Verbündete.

An der Dringlichkeit ihrer Anliegen lassen die Chefs von Energiekonzernen und Industrieverbänden keinen Zweifel. Fast im Tagesrhythmus wenden sich Konzernchefs und Sprecher derzeit an die Öffentlichkeit, um ihre Kernbotschaften in die Köpfe zu hämmern: Die Energiewende läuft zu schnell. Die Industrie braucht weiter billigen Strom. Kohlekraftwerke brauchen künftig Subventionen.

Wichtiger Adressat dieser Forderungen ist die SPD. Um sie besser zu erreichen, formieren sich in der Industrie derzeit neue Bündnisse. Die vier großen Energieversorger – RWE, Eon, EnBW und Vattenfall – sehen ihre Macht schwinden; darum verbünden sie sich mit den unabhängigen Stadtwerken, die im Verband kommunaler Unternehmen zusammengeschlossen sind. Denn die Großen haben ein Problem. „RWE ist zu spät in die erneuerbaren Energien eingestiegen“, sagte Vorstandschef Peter Terium diese Woche der Süddeutschen Zeitung.

Und mit ihren alten Kohlekraftwerken verdienen sie immer weniger Geld. „Die konventionellen Kraftwerke gehen langfristig ohnehin aus dem Markt“, sagte Eon-Vorstand Leonhard Birnbaum diese Woche der taz. Doch der Rückzug aus diesem Markt soll dauern – und möglichst golden sein. Dafür, dass sie ihre alten Kraftwerke in Bereitschaft halten, wollen die Betreiber zusätzliches Geld vom Stromkunden – und sind sich darin mit den Stadtwerken einig, die teils ebenfalls an alten Kohlekraftwerken beteiligt sind oder in neue Gaskraftwerke investieren wollen.

SPD in Nordrhein-Westfalen übernimmt FDP-Rolle

In der SPD gibt es vor allem im Industrieland Nordrhein-Westfalen die Bereitschaft, die vakante FDP-Rolle als Sprachrohr der Industrie zu übernehmen. Wirtschaftsminister Garrelt Duin stellte sich praktisch zu 100 Prozent hinter die Forderungen. Ministerpräsidentin Hannelore Kraft gibt sich rhetorisch zwar etwas gemäßigter, doch auch für sie ist klar, dass im Zweifel Arbeitsplätze in der traditionellen Industrie Vorrang haben vor einer schnellen Energiewende.

Nachdem Kraft von der SPD zur Leiterin der Koalitionsverhandlungen zum Thema Energie ernannt worden war, gab es aus der Partei einige Kritik an ihrem kohlefreundlichen Kurs. Der SPD-Umweltpolitiker Ulrich Kelber kritisierte, es sei „überhaupt nicht einzusehen, dass jetzt mit einem großen Aufwand öffentlicher Steuermittel oder Geldern von Kunden falsche Managemententscheidungen der RWE- oder Eon-Bosse wieder ausgeglichen werden sollen“.

Klimaexperte Ernst Ulrich von Weizsäcker erklärte: „Arbeitsplätze hängen nicht am Raubbau, sondern an der intelligenten Nutzung von Energie.“ Und der baden-württembergische Finanzminister Nils Schmid ließ Kraft wissen, er bezweifele, dass die CO2-Ziele „mit deutscher Braun- und Schwarzkohle erreicht“ werden könnten.

Kraft, die Kohlelobbyistin

Kraft zeigt sich davon bisher unbeeindruckt. Vor Beginn der ersten Verhandlungsrunde am Donnerstag antwortete sie auf die Frage, ob sie eine „Kohlelobbyistin“ sei, zwar mit einem klaren „Nein“. Doch nachdem sich die Türen im obersten Stock des Umweltministeriums geschlossen hatten, bewies sie nach Angaben von Teilnehmern der Runde das Gegenteil. Den Wunsch von Umweltminister Altmaier, sich schnell über Korrekturen des EU-Emissionshandels zu verständigen – Brüssel will die CO2-Zertifikate verteuern –, lehnte Kraft brüsk ab.

Als Grund nannte sie offiziell, dass noch nicht geklärt sei, ob die Energiegruppe für diese Frage überhaupt zuständig sei. „Das muss noch mit anderen AGs abgestimmt werden“, sagte sie. Die Frage der taz, wie sie persönlich dazu stehe, beantwortete Kraft nicht. Tatsächlich hätte sie gute Gründe, die zeitweise Verknappung der Zertifikate, das sogenannte Backloading, zu blockieren. Denn das würde die Profite der nordrhein-westfälischen Braunkohlekraftwerke schmälern und zusätzliche Kosten etwa für die Stahlindustrie bedeuten.

Sigmar Gabriel ändert seine klare Haltung

Aus den eigenen Reihen gab es an Kraft anschließend keine Kritik. Nina Scheer, die auf SPD-Seite der Energie-AG die entschiedenste Unterstützerin einer schnellen, dezentralen Energiewende ist, brachte sich nach Angaben von Teilnehmern in den Verhandlungen mit der Union zwar intensiv ein – und erntete dabei auch offenen Widerspruch von Kraft. Öffentlich hält sie sich als Bundestagsneuling ohne breites innerparteiliches Netzwerk mit Kritik an der mächtigen NRW-Ministerpräsidentin jedoch zurück.

Und Parteichef Sigmar Gabriel? Der weiß als ehemaliger Umweltminister durchaus um die Bedeutung des Klimathemas. Und noch vor einem Jahr hatte er eine klare Haltung zur Reform des Emissionshandels. „Ausgerechnet Deutschland blockiert“, kritisierte Gabriel während der Klimakonferenz in Doha auf seiner Facebook-Seite Wirtschaftsminister Rösler und dessen Haltung zu Reduktionszielen und Emissionshandel.

Doch eine Wahl kann vieles ändern. Zur neuen Blockade durch Kraft schweigt Gabriel bisher.

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