SPD-Wahlliste in Bremen: Älter, männlicher, deutscher
Die Bremer SPD stellt sich für die Landtagswahl auf – die Basis übt Kritik, vor allem Frauen und Jusos fühlen sich übergangen. Doch die Partei lässt alles so wie geplant.
Das heißt nicht, dass es keine Kritik gegeben hätte, ganz im Gegenteil: Schon vor dem Parteitag zogen der Ex-Abgeordnete Jens Dennhardt aus Hemelingen und der profilierte Kulturpolitiker Daniel de Olano aus der Östlichen Vorstadt ihre Kandidaturen zurück, weil sie ganz am Ende der Liste antreten sollten – ihre Stadtteile sind schon weiter vorne platziert, so die parteiinterne Logik.
Elf Genossen wurden ganz aussortiert, sonst wäre der vorgeschriebene Frauenanteil von 40 Prozent nicht zu erreichen gewesen – nun stehen 35 Männer neben 23 Frauen. Zudem ist auf den aussichtsreichen ersten 20 Plätzen nur eineR der stadtbremischen KandidatInnen jünger als 40, und bis Platz 15 stehen nur Biodeutsche auf der Liste.
Gerade mal zwölf aller stadtbremischen BewerberInnen haben einen Migrationshintergrund. Hinzu kommen noch zehn KandidatInnen aus Bremen-Nord, über die am Samstag auf einem eigenen Parteitag entschieden wurde.
Sozialdemokratisches Zeitalter „noch nicht am Ende“
Ex-Innensenator Peter Sakuth, Chef der Mandatskommission, erntete für seine Kritik an der „fehlenden Bodenhaftung“ der SPDler in der „Berliner Raumstation“ viel Applaus. Er sieht den „Schulterschluss mit den Gewerkschaften“ als „vordringliche Aufgabe“ der SPD, auch den Finanzkapitalismus will er gerne „zähmen“.
Die Zukunft seiner in Umfragen darbenden Partei sieht er positiv: „Das sozialdemokratische Zeitalter ist noch nicht am Ende.“ Ansonsten lästerte er über den CDU-Spitzenkandidaten, fand aber für Die Linke lobende Worte. Und für den nächsten Senat hat der Bauunternehmer auch schon Forderungen: Das Bauressort müsse wieder „rot“ werden.
Vorne auf der Liste sind alle Funktionsträger gut abgesichert: Da stehen SenatorInnen, der Unterbezirks- sowie die ParteichefIn, der Landtagspräsident und der Fraktionschef, dazu die drei SeiteneinsteigerInnen, zu denen neben dem IG-Metall-Chef Volker Stahmann auch der frühere Landesvorsitzende Andreas Bovenschulte zählt.
Arbeiterviertel kaum repräsentiert
Überproportional gut vertreten sind auf der Liste auch die urbanen Zentren, also die Östliche Vorstadt oder Schwachhausen, die früheren SPD-Hochburgen Gröpelingen und Walle müssen sich mit je einem sicheren Listenplatz begnügen, während etwa Kattenturm und Kattenesch gar nicht vertreten sind, wie ein ehemaliger Abgeordneter von dort monierte. Und Huchting, das ohnehin nur einen Kandidaten stellt, den Innenpolitiker Sükrü Senkal, ist erst auf Platz 22 gelistet.
Manche Fachbereiche sind auch hinten runtergefallen: Gesundheitspolitikerin Stephanie Dehne, die selbst von der Linkspartei gelobt wird, hat auf Platz 28 schlechte Karten. Und der Sprecher des Zentralelternbeirats, Pierre Hansen aus Gröpelingen, steht nur auf Platz 58. Er sei damit „nicht glücklich“, sagte er – und plädierte doch dafür, alles so zu lassen wie vorgeschlagen. Vielleicht sei seine schlechte Platzierung „falsch“ gewesen, räumte ein Mitglied der Mandatskommission ein.
Scharfe Kritik kam insbesondere von den Frauen und den Jusos. Die Liste entlarve den SPD-Slogan „jünger, weiblicher, bunter“ als bloßes „Gerede“, kritisierte einer, die Liste sei „extrem überaltert“, schimpfte ein anderer. Dass kein einzigeR Azubi oder StudierendeR auf einem sicheren Listenplatz stehe, sei „bedenklich“. Andere Jusos sind resigniert: „Alles bleibt so, wie es ist“, sagte einer, „und wir wurden wieder übergangen. Dafür sollen wir Wahlkampf machen?“
Bewirkt hat die Kritik nichts: Versuche, die Liste noch zu ändern, blieben aus.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“