SPD-Vorschläge zu Hartz-IV: Kraftloser Beifall in den eigenen Reihen
Arbeitslose sollen in Altersheimen aushelfen, sagte die Vorsitzende der NRW-SPD, Hannelore Kraft. Die Genossen beeilen sich nun, ihre Worte vom FDP-Kurs abzugrenzen.
BERLIN taz | Sie hätte eigentlich über etwas ganz anderes reden wollen an diesem Montag nach der SPD-Präsidiumssitzung. Als Andrea Nahles mit einer halben Stunde Verspätung an die Öffentlichkeit tritt, erzählt sie begeistert von der Resonanz der Kampagne gegen die Kopfpauschale: "21.600 Stimmen haben wir bislang gezählt", sagt die Generalsekretärin , "es gibt eine breite Front dagegen".
Doch seit diesem Wochenende ist die SPD mitten in der Debatte um Hartz IV angekommen - und die in die Kritik geratene Regierung von Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) kann durchatmen. Im aktuellen Spiegel hat die Landesvorsitzende Hannelore Kraft gefordert, Hartz-IV-Empfänger ohne Aussicht auf reguläre Arbeit sollten "die Chance bekommen, im Rahmen ihrer Möglichkeit etwas für die Gesellschaft zu leisten". Kraft schlug vor, die Betroffenen könnten "in Altenheimen Bücher vorlesen oder Straßen sauber halten". Gegen zum Teil harsche Kritik aus Opposition und Gewerkschaften verteidigte nun das SPD-Präsidium den Vorstoß von Hannelore Kraft.
Es gebe "breite Rückendeckung", sagte Andrea Nahles, "der Vorschlag ist eine sehr gute Initiative für Langzeitarbeitslose". Die Generalsekretärin betonte, bei dem Thema müsse "uns etwas Besseres einfallen als 1-Euro-Jobs". Krafts Initiative sei ein "klares Gegenmodell zu Guido Westerwelle", in dem es "nicht um Kürzungen des Regelsatzes oder das Ausüben von Druck" gehe. Abgesprochen gewesen sei die Initiative mit dem SPD-Vize Olaf Scholz, der in der nächsten Woche für die SPD ein Konzept zu Arbeitsmarkt und Hartz IV vorstellen will.
Die SPD bemühte sich am Montag, die Diskussion von der FDP abzugrenzen. "Es geht hier nicht um ein Zwangsinstrument", sagte der bayerische SPD-Vorsitzende Florian Pronold der taz, "natürlich kann ein Hartz-IV-Empfänger so ein Angebot auch ablehnen". Auch der Parteilinke Ottmar Schreiner betonte, die Ideen seien "ein völlig anderer Ansatz" als die der FDP. "Entscheidend ist, dass kein Zwang besteht", sagte Schreiner, "dann ist an dem Vorschlag wenig Kritikwürdiges zu finden".
Bei aller öffentlich demonstrierten Geschlossenheit - zumindest am Zeitpunkt der Initiative gab es am Montag auch innerhalb der SPD Kritik. "Ich bin nicht kompetent, die Öffentlichkeitsarbeit von Frau Kraft zu kommentieren - aber ich hätte mir manches anders gewünscht", sagte der DGB-Landesvorsitzende in Nordrhein-Westfalen, Guntram Schneider, der taz. Schneider, der auch als Arbeitsminister in einem möglichen Kabinett Kraft gehandelt wird, sagte, er habe nichts von dem Vorstoß gewusst. Der nordrhein-westfälische Bundestagsabgeordnete Anton Schaaf sagte, "über den Zeitpunkt der Initiative kann man streiten". Innerhalb des Präsidiums hatte es am Montag auch Stimmen gegeben, die sich eine Präsentation des Themas zusammen mit dem Gesamtkonzept von Olaf Scholz in der nächsten Woche gewünscht hätten. "Dies hätte ein besseres Bild ergeben", wird ein Teilnehmer der Sitzung zitiert.
Unabhängig vom Zeitpunkt: Loswerden wird die SPD die Debatte nicht mehr. Das zeigen die zum Teil heftigen Reaktionen - und die Tatsache, das Hannelore Kraft selber noch einmal klarstellte, dass es sich um freiwillige Angebote handelte. "Man sieht, dass wir das Thema kaum noch in Ruhe diskutieren können", resümierte SPD-Mann Schreiner, "dabei ist das Thema wichtig genug, es einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen".
GORDON REPINSKI, ANDREAS WYPUTTA
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