SPD-Parteitag: Leise Zweifel am NPD-Verbotsverfahren

Die SPD stimmt für ein neues NPD-Verbotsverfahren. Doch das wird nicht kommen. Union und FDP sind dagegen - und viele SPDler. Nur sagen sie das öffentlich nicht.

Kampf gegen Rechts hilft auch, das soziale Profil der SPD zu schärfen. Bild: dpa

Das Signal auf dem Parteitag war eindeutig. Die Redner überboten sich gegenseitig mit Argumenten für ein neues NPD-Verbotsverfahren, die Mehrheit bei der anschließenden Abstimmung unter den 525 Delegierten war groß - und das Juso-Plakat auf der Bühne sorgte dafür, dass die Entschlossenheit der SPD im Kampf gegen rechts auch auf den Fotos erkennbar war. Der Titel: "Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen." Das ging auch in Richtung der vor der Halle demonstrierenden Rechtsextremen.

Niels Annen, Leiter der SPD-Arbeitsgruppe Rechtsextremismus, freute sich über das klare Ja zu dem von ihm stark vorangetriebenen Projekt eines neuen NPD-Verbotsverfahrens. Er hoffe, dass nun auch Union und FDP umschwenken würden. "Dort gibt es bereits Diskussionen." Aber die Inszenierung auf dem Parteitag konnte die Skepsis in der SPD gegenüber einem neuen Verbotsverfahren kaum verdecken. Nur wenige glauben daran, dass sich das Vorhaben tatsächlich realisieren lässt. "Es wird deshalb kein Verbotsverfahren geben", sagte ein SPD-Präsidiumsmitglied der taz.

Wie er zweifeln viele in der Partei und der Bundestagsfraktion, aus der parteinahen Friedrich-Ebert-Stiftung hört man Klagen über den Verbotsvorstoß. Öffentlich äußert diese Bedenken kaum jemand. Spätestens seit einem Treffen von SPD-Innenministern und Sicherheitsexperten aus der Fraktion Ende September gilt, dass die SPD sich geschlossen für ein neues Verbotsverfahren zu zeigen hat. "Das wird von Kurt Beck und Peter Struck gewünscht", sagt ein SPD-Innenpolitiker. Der Parteichef und der Fraktionsvorsitzende im Bundestag träfen damit "genau die Stimmung in der SPD". Bei den Sozialdemokraten gebe es eine alte antifaschistische Traditionslinie, auf die man sich wieder besinne.

Arbeitsminister Franz Müntefering hat dieser Haltung zwar erst vor kurzem widersprochen - ist aber seit der Niederlage im Streit über das Arbeitslosengeld I still. Nicht ganz so still ist Schleswig-Holsteins Nochinnenminister Ralf Stegner. Er warnt seine Partei davor, allzu leichtfertig ein neues Verbotsverfahren anzustoßen. Er könne sich mit der Idee nur einverstanden erklären, wenn ein solcher Antrag vorher "äußerst sorgfältig" geprüft würde. "Vor dem Verfassungsgericht zu scheitern wäre eine Katastrophe", sagte Stegner der taz.

Für ein neues Verfahren müsste jedoch mindestens eines der drei Verfassungsorgane - Bundestag, Bundesrat oder Bundesregierung - einen Antrag stellen. Bisher gibt es jedoch in keinem der drei Organe auch nur den Hauch einer Mehrheit für einen solchen Schritt. Und auch wenn SPD-Mann Annen etwas anderes erzählt - derzeit gibt es keine Anzeichen dafür, dass die CDU oder die FDP ihren Widerstand gegen ein neues Verbotsverfahren aufgeben werden. Wie eine taz-Umfrage ergab, bekäme die Proverbotsfraktion der Länder im Bundesrat derzeit nur 14 von 69 Stimmen zusammen.

Auch dass das Bundesinnenministerium derzeit einen Bericht zum aktuellen Handeln und Auftreten der NPD zusammenstellen lässt, ist kein Anzeichen für einen Schwenk von Hausherr Wolfgang Schäuble (CDU). Der tut das auf Wunsch des SPD-Fraktionschefs Struck. Von einem neuen Verfahren hält Schäuble nichts, ebenso wenig wie der Großteil der Fraktionen von CDU und FDP. "Die SPD kann sich sicher sein, dass es mit uns kein neues Verfahren geben wird", sagt Hans-Peter Uhl, innenpolitischer Sprecher der Unionsparteien, "ihr Beschluss in Hamburg wird genau 0,0 Prozent Auswirkung haben."

Doch warum lässt sich die SPD auf ein so aussichtsloses Unternehmen ein? Auch auf diese Frage antworten Fraktionsmitglieder nur hinter vorgehaltener Hand. "Natürlich meinen die Befürworter das auch ernst", sagt ein SPD-Mann, "aber es geht vor allem darum, der SPD ein schärferes Profil zu geben." Das Anliegen sei populär, schließlich sprächen sich in Umfragen immer mehr Menschen für ein Verbot aus. Eine Unterschriftensammlung für ein Verbot bekam bisher 150.000 Unterstützer zusammen. "Dass ein solches Verfahren erst einmal nicht kommen wird, fällt doch gar nicht so sehr in Gewicht", sagt der langjährige SPD-Abgeordnete, " es kann der Partei doch nur nutzen, wenn sie diesen Punkt besetzt."

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