SPD-Ökonom über linke Wirtschaftspolitik: „Wir haben Einfluss auf Scholz“
Der linke Ökonom Gustav Horn ist wieder im SPD-Parteivorstand. Er hofft, dass auch die FDP die Idee des investierenden Staates verstanden hat.
taz: Herr Horn, ist Wirtschafts- und Finanzpolitik für die SPD wirklich wichtig?
Gustav Horn: Es ist nicht so, dass man bei SPD-Parteitagen mit Jubelstürmen rechnen kann. Wirtschaftspolitik hat eher eine Nischenexistenz. Aber: Umfragen vor knapp zwei Jahren zeigten, dass nur sechs Prozent der SPD Wirtschaftskompetenz zubilligten. Damit gewinnt man keine Wahlen. Das ist in der Parteispitze allen klar.
Sie sind am Samstag wieder in den SPD-Parteivorstand gewählt worden. Es war ungewiss, ob dies gelingt. Was bedeutet das?
Dass ich hoffentlich den wirtschaftspolitischen Beirat weiter leiten und ausbauen kann. Den gibt es seit knapp zwei Jahren. Er hat sich bewährt. Ich möchte den Beirat verjüngen. Und mehr in die Öffentlichkeit wirken.
Der 66-Jährige ist Ökonom. Von 2005 bis 2019 war er wissenschaftlicher Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung der Hans-Böckler-Stiftung. Seit 2019 ist er Mitglied im SPD-Parteivorstand. Der wirtschaftspolitische Beirat wurde im März 2020 auf Initiative des damaligen SPD-Chef Norbert Walter-Borjans gegründet. Mitglieder sind u.a. Peter Bofinger, Sebastian Dullien, Cansel Kiziltepe und Achim Truger.
Hat der Beirat Einfluss auf die wirtschafts- und finanzpolitischen Ideen von Olaf Scholz?
Viele unserer Ideen sind in das SPD-Wahlprogramm eingeflossen. Und viele aus dem Beirat haben auch im Rahmen des Finanzministeriums mitgearbeitet. Insofern haben wir auch Einfluss auf Olaf Scholz.
Sind Sie also die keynesianischen Stichwortgeber der SPD?
Auch. Wir sind Ökonomen, die die Bedeutung der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage im Blick haben. Aber das ist nicht alles. Es geht vor allem das Konzept des investierenden Staates, der den Rahmen für Märkte baut, die die Lösungen finden. Das ist das neue Paradigma.
Für die SPD oder für die Ampel?
Es freut mich, dass Christian Lindner das Finanzministerium ein Ermöglichungsministriumm genannt hat. Das ist nicht mehr die Idee der schwäbischen Hausfrau. Der Paradigmenwechsel ist bei der FDP angekommen.
Das ist aber nur Lindners Ankündigung…
Ja, man muss sehen was folgt. Aber der Koalitionsvertrag, ist, beim Klima und Digitalisierung, Infrastruktur und Wohnungsbau, durchzogen vom Geist des investierenden Staates. Die FDP hat diesen Vertrag unterschrieben. Auch Unternehmerverbände betonen die Notwendigkeit massiver Investitionen. Die FDP wird sich deshalb nicht nur hinter haushalterischen Argumenten verschanzen können. Der Druck der Realität wird die Regierungspartei FDP erreichen.
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