Zu Fuß gehen ist emissonsfrei

Berlins Sozialdemokraten wollen jetzt die Treiber in Sachen Klimaschutz und auch beim Thema Mobilität sein. Juso-Antrag gegen Abriegelung des Görlitzer Parks wird beim Landesparteitag stark verwässert angenommen

Von Rainer Rutz

Die Hauptstadt-SPD sieht sich nicht mehr nur als Garant für soziale Gerechtigkeit, sondern auch als Speerspitze im Kampf gegen den Klimawandel. Das zumindest ist die Hauptaussage des am Samstag auf dem Landesparteitag verabschiedeten SPD-Leitantrags „Berlin: sozial, klimaneutral, innovativ und für alle bezahlbar“. Der 26 Seiten umfassende Leitantrag ist eine Sammlung aus Bekenntnissen und Forderungen, die abgesehen von der inneren Sicherheit alle Politikfelder umfasst. Das 29-Euro-Ticket für alle – zentrales Wahlkampfversprechen der SPD-Spitze – fehlt ebensowenig wie die Forderung an den Bund, mit einer Öffnungsklausel den Weg freizumachen, „damit die Länder selbst Mietbegrenzungen wie einen Mietendeckel festlegen“. Ein Vorhaben, für das Landes- und Fraktionschef Raed Saleh seit geraumer Zeit trommelt.

Es gilt zwar als unwahrscheinlich, dass sich die Ampel-Regierung im Bund zu einer Öffnungsklausel durchringt. An die Geg­ne­r:in­nen jedweder Mietbegrenzungen beim eigenen Koalitionspartner CDU gerichtet drohte Saleh trotzdem vorsorglich: „Wenn die Öffnungsklausel kommt, dann garantiere ich: Mit meiner SPD wird es keine neue Koalition geben ohne den Mietendeckel.“ Zu den weiteren Antworten der SPD auf die großen klimapolitischen Fragen gehören etwa der Einsatz für ein Klimageld, mehr Tempo-30-Zonen, das Verbot ineffizienter Heizungen, aber auch die Stärkung der Tarifbindung. Die So­zia­lde­mo­kra­t:in­nen sprechen sich nicht nur gegen die Schuldenbremse, sondern auch gegen Wasservergeudung aus. Und nebenbei will man prüfen, „wie Sonnenschutzcreme an öffentlichen Badestellen, öffentlichen Spielplätzen oder in Schulen kostenlos bereitgestellt werden kann“. Auch die Feststellung, dass Fußverkehr eine gesunde nachhaltige und zudem emissionsfreie Form der Fortbewegung sei, fehlt in dem Papier nicht.

Auch wenn der Leitantrag am Ende einstimmig von den rund 270 Delegierten angenommen wurde, waren nicht alle mit der Detailfülle glücklich. Ein Delegierter sprach gegenüber der taz von einem „Wischi-Waschi“.

Die umwelt- und klimaschutzpolitische Fraktionssprecherin Linda Vierecke, die maßgeblich am Antrag mitgewirkt hat, zeigte sich zufrieden. Aber, so Vierecke zur taz: „Wir brauchen keine Debatten mehr, wir müssen jetzt der Treiber sein in Sachen Klimaschutz, auch beim Thema Mobilität, auch in der Koalition.“

„Hier ist der Ort, wo wir die Zukunft des Landes gestalten“

Raed Saleh

Anders als beim letzten Parteitag im Mai, als sich die SPD angesichts der Verluste bei der Wahlwiederholung und des nachfolgenden Koalitionsschwenks zur CDU hitzig und über Stunden mit sich selbst beschäftigt und dabei auch die Performance des Führungsduos Franziska Giffey und Raed Saleh kritisiert hatte, ging der Landesparteitag fast harmonisch über die Bühne.

Am Ende kochte die Stimmung dann aber doch noch mal hoch. Anlass war ein Antrag der Jusos, der sich gegen die von SPD-Innensenatorin Iris Spranger angekündigten Maßnahmen zur „Befriedung“ des Görlitzer Parks richtete. Die Forderungen des Parteinachwuchses: keine Videoüberwachung des Parks, keine nächtliche Schließung, keine „vollständige“ Umzäunung, Erhalt der historischen Mauer. „Wir müssen aufpassen, beim Görlitzer Park nicht eine Kopie der CDU zu werden“, warnte der SPD-Chef Mehmed König unter Applaus. Spranger selbst verteidigte ihre Zaunbau- und Schließungspolitik. Dass die Maßnahme vielleicht „nicht dauerhaft“ aufrechterhalten werde, „damit kann ich leben“, sagte die Innensenatorin.

Ein zäher Abstimmungsmarathon über einzelne Sätze des Antrags folgte. Mit knapper Mehrheit wurde eine stark verwässerte Fassung des Juso-Antrags angenommen, die Anti-Zaun-Positionen waren faktisch herausgestrichen. „Hier ist der Ort, wo wir die Zukunft des Landes gestalten“, hatte Raed Saleh zu Beginn des Parteitags erklärt.