SPD-Landesparteitag am Wochenende: Kuscheln ist jetzt erste SPD-Pflicht
Grundsatzdebatten sollen auf dem SPD-Landesparteitag am Samstag nicht geführt werden. Sonst könnte der Konflikt zwischen Parteichef Müller und Fraktionschef Saleh sichtbarer werden.
Natürlich war jetzt alles nur Landespolitik in Nordrhein-Westfalen. Wenig sage das dortige Wahlergebnis über die Bundestagswahl im September – und schon gar nichts über die Lage der Berliner SPD und ihrer rot-rot-grünen Koalition. Also jetzt bitte Ruhe und keine Grundsatzdebatte.
Das ist ungefähr das, was einem die hiesigen Sozialdemokraten in der Woche nach dem NRW-Desaster vermitteln wollen. Dabei hätten auch die durchaus einiges aufzuarbeiten: ihr eigenes schlechtes Wahlergebnis vom Herbst und die Uneinigkeit der Chefs. Das Podium dafür bereit stünde schon bereit – für Samstag ist schon lange ein Landesparteitag im Neuköllner Estrel-Hotel angesetzt.
Hörbare Furcht
Doch dort wird es wohl kaum dazu kommen. Zu sehr ist bei den Berliner Genossen die Furcht herauszuhören, sich über eine solche grundsätzliche Diskussion am Samstag richtig zu zerlegen – und damit bei der Bundestagswahl Parlamentssitze zu verlieren. „Der Landesparteitag ist der falsche Ort für strategische Debatten“, sagt etwa der langjährige Landesparlamentarier Daniel Buchholz.
Denn es ist ja nicht so, dass bei einer offenen Debatte ein souverän in sich ruhender Landesverband nochmal ganz nüchtern prüfen würde, ob er wirklich die richtigen Schwerpunkte gesetzt hat. Stattdessen erscheinen Partei- und Regierungschef Michael Müller und Fraktionschef Raed Saleh immer wieder uneins, auch bei der zentralen Frage von Rot-Rot-Grün auf Bundesebene: Während für Saleh das hiesige Bündnis modellhaft ist, lehnt Müller es ausdrücklich ab, auf Bundesebene R2G zu empfehlen.
Demonstrative Einigkeit
Zwar versuchten die beiden jüngst, mit einem gemeinsamen Beitrag im Tagesspiegel Einigkeit zu demonstrieren. Doch vor diesem Hintergrund grundsätzlich zu diskutieren, halten zumindest pragmatischere Genossen in einem Wahljahr für Harakiri. Denn auch bei der SPD wissen sie: Nichts schätzen Wähler weniger als innerparteilichen Streit.
Die Furcht vor weiter bröckelnder Wähler-Unterstützung wird bloß noch übertroffen von der Erleichterung darüber, dass Berlin seine Landtagswahl schon hinter sich hat und die SPD sich da, wenn auch knapp und mit großen Verlusten, als stärkste Kraft behaupten konnte, mit müden 21,6 Prozent. Das nächste Mal wird das Abgeordnetenhaus erst 2021 gewählt – das ist angesichts der Tatsache, dass in der Politik schon nach wenigen Monaten Gutes wie Schlechtes vergessen sein kann, politische Lichtjahre entfernt.
Eigentlich zwei Parteitage
Genau genommen stehen am Samstag zwei Parteitreffen an: Erst stellt die SPD ihre Landesliste für die Bundestagswahl auf, nachmittags steht der reguläre Parteitag mit Dutzenden von Anträgen an, aus denen jene zum BER und zur Spielstätte von Bundesligist Hertha herausragen. Die zuständigen Fachpolitiker haben beantragt, den Flugverkehr zu begrenzen: keinen Ausbau des BER, wenn er denn mal eröffnet ist, Nachtflugverbot nicht nur zwischen 0 und 5 Uhr – und auch grundsätzlich wollte man erreichen, dass die Berliner aus Klimaschutzgründen lieber die Bahn als das Flugzeug nutzen. Dafür aber wird es kaum eine Mehrheit geben: Die Antragskommission hat Ablehnung empfohlen, „und Sie können davon ausgehen, dass der Parteitag dem folgt“, sagt ein erfahrener Genosse“.
Auch in der Stadion-Frage ist die Haltung gegenüber einem möglichen Neubau neben dem Olympiastadion inzwischen nicht mehr durchweg ablehnend: Man müsse sich jetzt erst mal zusammensetzen und einen Umbau des Olympiastadions prüfen, heißt es, und da könne man nicht von vornherein alles andere ablehnen.
Spitzenkandidatin Eva Högl
Unstrittig ist immerhin, dass auf der Landesliste erneut Eva Högl, eine der Vizechefinnen der Bundestagsfraktion, die Spitzenkandidatin und Nummer 1 sein soll. Auch für die folgenden Plätze bis Nummer 5 konnte sich der Landesvorstand auf einen Vorschlag einigen, für alle dahinter steht an, was so martialisch „Kampfkandidatur“ heißt.
Ein vorderer Platz auf einer solchen Liste, über die Parteien die ihnen über die gewonnenen Wahlkreise hinaus zustehenden Mandate besetzen, ist in Zeiten sinkender Umfragewerte begehrter denn je: Wenn die Chancen auf einen Sieg im Wahlkreis schwinden, kann einen immer noch die Liste (wieder) ins Parlament bringen.
Bei aller gewollten Konzentration auf die Landespolitik und die hiesigen Bewerber für die Bundestagswahl wird sich der – für die SPD – so desaströse vergangene Wahlsonntag zumindest kurzzeitig nicht ganz verdrängen lassen: Bundesparteichef und Kanzlerkandidat Martin Schulz schaltet sich per Video zu. Leibhaftig erleben ihn am Samstag nur die bayerischen Genossen bei ihrem zeitgleichen Parteitag. „Er ist ja sonst oft genug in Berlin, da kann er ruhig mal in Bayern sein“, sagt ein hiesiger SPDler, und das klingt irgendwie erleichtert.
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