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SPD-Frauenpolitikerin über Brüderle„Heute ist die Abwertung subtiler“

Die SPD-Vizefraktionsvorsitzende Elke Ferner über Rainer Brüderles Anmachspruch und den sich wandelnden Sexismus im parlamentarischen Alltag.

Haben im Bundestag leider nicht immer was zu lachen: Frauen (in der Mitte: Elke Ferner). Bild: dpa
Anja Maier
Interview von Anja Maier

taz: Frau Ferner, Sie sind SPD-Frauenpolitikerin und müssen es wissen: Wo fängt Sexismus eigentlich an?

Elke Ferner: Die Grenzen sind sicher fließend. Aber es ist natürlich schon so, dass man mitunter das Gefühl hat, dass Grenzen überschritten werden.

Wo?

Zum Beispiel, wenn Männer den Bericht der Stern-Reporterin über Rainer Brüderle so kommentieren, dass die betroffene Frau sich gezielt aufreizend zurechtgemacht hat. Frauen machen sich aber auch einfach nur für sich selber hübsch und wollen niemanden anmachen, schon gar keine alten Herren.

Sie sitzen seit vielen Jahren im Bundestag. Gibt es im parlamentarischen Alltag Sexismus gegenüber weiblichen Abgeordneten?

Vor 20 Jahren war das deutlich schlimmer. Heute funktioniert die Abwertung subtiler. Etwa wenn im Plenum der Lärmpegel steigt, wenn eine Frau ans Rednerpult tritt oder wenn Abgeordnete unpassende Zwischenbemerkungen machen. Ganz so offen wird Sexismus im Parlament nicht mehr ausagiert, weil jeder verstanden hat, dass das politisch nicht korrekt ist.

Bild: dpa
Im Interview: Elke Ferner

ist Bundesvorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Frauen (ASF). Sie sitzt seit 2002 im Bundestag und ist dort stellvertretende Vorsitzende der SPD-Fraktion.

Sexismus trifft ja bekanntlich nicht nur junge Abgeordnete. Über ältere Frauen wird gern gespottet. Haben Sie derlei erlebt?

Ja, zum Beispiel immer dann, wenn es um die Frage der Verjüngung geht. Da geht es eigentlich fast nur darum, junge Männer ins Parlament zu kriegen. Das fordern dann Männer, die mitunter selbst älter sind als die Frauen, die sie gern austauschen würden. Nach deren Wahrnehmung stehen ja Männer Mitte 50 in der Blüte ihres Lebens, während Frauen in diesem Alter als ältlich und unflexibel gelten.

Was sagen Sie zum Bericht der Stern-Kollegin über die Anmache durch den FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle: Ist das Sexismus oder die verzeihliche Entgleisung eines angetrunkenen Politikers?

Nein, das ist Sexismus pur. Man braucht schon eine gewisse Grundhaltung, um sich im angetrunkenen Zustand so zu verhalten. Sicher würde er sich so keinem Mann gegenüber verhalten.

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9 Kommentare

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  • Hier der Blick in's Dekolléte, dort der 2Blick in's Portemonee ...'"

    Heheh, wie GUT dein... Dekollete is, und wie *groß* dein Portemonnaie :O

     

    Ich entschuldige mich offiziell.

  • "Zum Beispiel, wenn Männer den Bericht der Stern-Reporterin über Rainer Brüderle so kommentieren, dass die betroffene Frau sich gezielt aufreizend zurechtgemacht hat."

    Mann, ich folg diesem Unsinn nichtma... hat jetz der Brüderle ne Grenze überschritten oder nicht? Und nein, ne Anmache ansich is keine Überschreitung... und wenn nicht, könnte man das der Frau tatsächlich "vorwerfen", nur dass da halt nix vorzuwerfen wäre da ja alles in Ordnung war :)

    Aber klar wird kriegt man so mehr Einladungen.

     

    "Frauen machen sich aber auch einfach nur für sich selber hübsch und wollen niemanden anmachen, schon gar keine alten Herren."

    AUCH, und manchmal auch ältere Herren (ugh!). Kann so und so sein :)

     

    "Sicher würde er sich so keinem Mann gegenüber verhalten."

    Weil er nicht schwul ist :D

    Ein Arschloch, der nur Frauen belästigt, ist nicht unbedingt ein Sexist - tjaha, dat muss man sich erstma um die Birne bindn wa!

     

    Langweilig.

  • S
    Szonn

    Es ist doch traurig, wenn Journalitinnen bis um Mitternacht an Prominente heranpirschen, um in.Interesse ihrer Arbeitgfber Skandale in Szene setzen müssen und das noch nach 12 Monaten!

    Szonn

  • N
    Normalo

    "Frauen machen sich aber auch einfach nur für sich selber hübsch und wollen niemanden anmachen, schon gar keine alten Herren." sagt Frau Ferner

     

    Das ist mindestens ebenso sexistisch wie das Verhalten von Brüderle. Zum einen schert es das gesamte weibliche Geschlecht pauschal über einen Kamm, zum anderen suggeriert es, dass Frauen sich nicht professionell verhalten müssten.

     

    Denn wenn eine junge Journalistin sich abends aufmacht, um in einer Hotelbar mit interssanten Interviewpartnern aus der Politk ins Gespräch zu kommen, dann tut sie das für ihren Job und hat sich entsprechend ihrer beruflichen Rolle zu kleiden. Da geht es nicht um Selbstverwirklichung, sondern um Kontakte und Informationsgewinn. "Mir war aber danach." ist keine Begründung, die ein männlicher Arbeitnehmer seinem Chef auftischen dürfte. Wieso sollte für eine weibliche Angestellte Anderes gelten?

     

    Ich gehe mal davon aus, dass es das nicht tut. Kommt unsere Journalistin also in diese spezielle Situation, wird sie dort nach aller Wahrscheinlichkeit weit überwiegend männliche Gesprächspartner finden, die auch alle deutlich älter sind als sie. Also ist aufreizende Kleidung für so eine Aktion entweder unprofessionell oder das Gegenteil davon, nämlich ein kalkuliertes Werkzeug zur Stimulation von Mitteilungsbedürfnis (ähnlich wie die alkoholschwangere Atmosphäre) - über den Umweg der Anmache. Wie man's auch wendet, diese Journalistin als unschuldiges Opfer des harten sexistischen Windes darzustellen, der in Berliner Polit-Kreisen weht, ist - bei aller Dummdreistigkeit des "liebestollen" Politikers - einfach Blödsinn.

  • KK
    Karl Kraus

    "Frauen machen sich aber auch einfach nur für sich selber hübsch und wollen niemanden anmachen, schon gar keine alten Herren."

    Der letzte Teil wäre nicht nötig gewesen und zeigt, dass an vielen Stellen Lernbedarf ist. Sind die alten Herren schlimmer als junge, wenn sie einen Spruch klopfen?

  • L
    Lorenz

    Wie geht Sexismus heute ?

     

    'Hier der Blick in's Dekolléte, dort der Blick in's Portemonee ...'

     

    Könnt' von Tucholsky sein. Ist es aber nicht.

  • L
    Lisa

    Brüderles Verhalten ist nicht akzeptabel.

     

    Übrigens: Die SPD ist in den eigenen Reihen mitunter selbst sexistisch. Im Berliner Abgeordnetenhaus durfte z.B. jahrelang ein SPD-Pressesprecher agieren, der ihm untergeordnete Frauen ständig drangsaliert hat. Mit dem Segen von ganz oben, denn man brauchte ja seine Kontakte.

     

    Die SPD/Grünen - Gesetze Agenda 2010 und Hertz -IV schaden besonders Frauen und sind auch sexistisch. Sie werden als Hartz-IV-Betroffene, wenn sie mit einem Partner zusammen wohnen (das muss nicht mal ein Ehemann sein) zur "Bedarfsgemeinschaft" degradiert. Und kriegen oft kein eigenes Geld. Das hält sie in Abhängigkeit vom Partner. -Per Gesetz.

     

    Die ganzen 7 Mio. Agenda 2010-Minjobs und Niedriglohnjobs, die durch Rot-Grün eingeführt wurden, treffen viele Frauen, die von diesen Ausbeuter- Dumpinglöhnen nicht leben können.

     

    Ich habe noch nie gehört, dass sich z.B. Frau Ferner gegen diese frauenfeindlichen SPD-Armutsgesetze ernsthaft engagiert.

  • K
    Kai

    Gottseidank ist Frau Ferner etwas ferner von mir... und ich nach Jahren aus der SPD raus, unter anderem wegen solcher PolitikerInnen.

     

    Das raunen wird also grösser wenn eine Frau spricht... Um wie viel? 10% oder 20%? Bei allen Frauen, oder nur bei welchen die immer den gleichen Stuss labern und alles auf Testosteron zurück führen? Oh mein Gott, bitte wirf Hirn vom Himmel und nicht sehr ferner...

     

    Ach ja, laut Florian Brill, der am fraglichen Abend neben Brüderle gesessen haben soll, hat er davon nichts mitbekommen... Evtl. ja mal wieder eine Falschbeschuldigung einer Frau an einen Mann, wenn es der Karriere dient. Aber bei solchen Beiträgen wirft man gerne die Unschuldsvermutung über Bord, geht es doch um Grundrechte (von Frauen)...

  • M
    max

    Ganz schlaues Schlusswort: "Sicher würde sich Brüderle einem Mann gegenüber nicht so verhalten". Ja, das glaube ich auch. Schliesslich ist Brüderle nicht homosexuell und Männer im Dirndl sehen eh Scheisse aus.