SOS Mediterranee verurteilt Maßnahme: Ocean Viking hängt fest
Die italienischen Behörden haben das Seenotrettungsschiff der NGO wieder einmal festgesetzt. Die NGO SOS Mediterranee spricht von „Schikane“.
Tatsächlich ist die Praxis keineswegs neu: Seit 2017 haben die Behörden von Malta und Italien abwechselnd immer wieder praktisch alle privaten Seenotrettungsschiffe an die Kette gelegt, und teils gar nicht, teils erst nach Wochen oder Monaten wieder fahren gelassen. Durch die Festsetzung der Ocean Viking ist aktuell kein ziviles Rettungsschiff mehr im zentralen Mittelmeer im Einsatz.
Nach Angaben von SOS Mediterrannee haben die italienischen Behörden die Festsetzung damit begründet, dass die Ocean Viking mehr Personen befördert habe als im Zertifikat für die Ausrüstung von Frachtschiffen angegeben sei.
Das Schiff hatte zuletzt vor zwei Wochen 180 aus Seenot gerettete Menschen nach Porto Empedocle gebracht. Zuvor hatte die Ocean Viking neun Tage auf die Erlaubnis der italienischen Behörden gewartet, in einen Hafen des Landes einlaufen zu dürfen. Die Flüchtlinge wurden auf ein Quarantäneschiff verlegt, die Besatzung der Ocean Viking auf dem Schiff unter Quarantäne gestellt. Diese war nun aufgelaufen, das Schiff sollte wieder in See stechen. Doch das verhinderten die Behörden nun.
Mehr Menschen als auf Papier
SOS Mediterrannee betreibt das Schiff seit rund einem Jahr. In dieser Zeit sind nach Angaben der NGO drei Hafenkontrollen durchgeführt worden, bei denen nur „minimale Anpassungen“ gefordert worden seien. Neue Sicherheitsvorschriften seien in der Zwischenzeit nicht erlassen worden. „Es ist offensichtlich, dass die italienischen Behörden in den vergangenen Monaten angebliche Sicherheitsmängel vorgeschoben haben, um die zivilen Rettungsschiffe vom Mittelmeer zu verdrängen“, sagt Verena Papke, die Geschäftsführerin von SOS Mediterrannee.
SOS Mediterrannee räumte ein, dass ihr Schiff bei Rettungseinsätzen teils tatsächlich eine größere Zahl von Menschen aufnimmt als in den Papieren des Schiffes angegeben ist. Doch bei diesen handele es sich nicht um „Passagiere“, wie Italiens Behörden behaupteten, sondern um Gerettete – und dazu sei die NGO verpflichtet, es geschehe also rechtmäßig.
Anfang April hatten Italien und Malta ihre Häfen für „unsicher“ erklärt und damit faktisch für rettende Schiffe geschlossen. Kurz darauf erhielten zivile Seenotrettungsorganisationen in Deutschland einen Brief aus dem Bundesinnenministerium mit dem Appell, derzeit „keine Fahrten aufzunehmen“, und „bereits in See gegangene Schiffe zurückzurufen“. Während die Rettungs-NGOs so blockiert werden, sind in diesem Jahr im zentralen Mittelmeer bislang nach Zahlen der UN-Migrationsorganisation IOM 391 Menschen ertrunken. Das sind etwa halb so viele wie im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Das hat damit zu tun, dass die libysche Küstenwache immer mehr Geflüchtete auf dem Meer schnell abfängt und wieder zurück nach Libyen bringt. Von Januar bis Mitte Juli waren das nach Zahlen des UN-Flüchtlingswerks UNHCR 5.650 – fast die Hälfte mehr als im Vorjahreszeitraum.
Geflüchtete in Libyen nicht sicher
Zuletzt brachte die Küstenwache am 20. Juli insgesamt 76 Menschen nach Libyen zurück. Sehr häufig geschieht dies in Kooperation mit der EU-Grenzschutzagentur Frontex, den italienischen oder maltesischen Behörden. Die stören sich nicht daran, dass das UNHCR jedes Mal protestiert und darauf hinweist, dass Flüchtlinge in Libyen nicht sicher sind.
Allerdings ist die Praxis auch in Italien nicht unumstritten. Denn nun soll erstmals einem Kapitän der Prozess gemacht werden. Sein Schiff „Asso Ventotto“ hatte im Juli 2018 in internationalen Gewässern vor der libyschen Küste mehr als hundert Menschen aus Seenot gerettet, darunter fünf Minderjährige und fünf Schwangere. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft wurden die Migranten nach Tripolis zurückgebracht und dort der libyschen Küstenwache übergeben. Die Staatsanwaltschaft Neapel wirft dem Kapitän und der Reederei deshalb Völkerrechtsverstöße vor.
Die EU versucht derweil, die Zusammenarbeit mit den nordafrikanischen Ländern in Sachen Flüchtlingsstopp zu intensivieren. In der vergangenen Woche vereinbarten die Innenminister der EU-Staaten und der nordafrikanischen Länder, darunter Libyen, in einer Videokonferenz „stärkere Schleuserbekämpfung“. In einer Erklärung der EU-Teilnehmer hieß es, man wolle eine engere Zusammenarbeit zwischen der Behörde für Polizeikooperationen der Afrikanischen Union (Afripol) und den EU-Agenturen Frontex und Europol sowie des Europäischen Netzwerks von Verbindungsbeamten für Einwanderung fördern. Vorgesehen seien zudem Ausbildungsprojekte sowie finanzielle Hilfen für technische Ausstattung.
Bekämpfung der Schleuserkriminalität
Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) sagt, um „Tote im Mittelmeer zu verhindern“ gelte es, die Bekämpfung der Schleuserkriminalität zu stärken. Die Zusammenarbeit mit den Partnern in Nordafrika solle deshalb während der deutschen EU-Ratspräsidentschaft in den kommenden Monaten weiter ausgebaut werden.
Innerhalb der EU gibt es derweil noch immer keine Verständigung über den Umgang mit Bootsflüchtlingen, da nur wenige EU-Länder zur Aufnahme von aus Seenot geretteten Migranten und Flüchtlinge bereit sind.
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