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SELBSTAUSBEUTER"Das Informelle ist oft eine Falle"

Und wenns bei den Guten am schlimmsten ist? Linken-Vorstand Christoph Spehr über die Prekarisierung im Non-Profit-Sektor und subjektive Hürden der Gegenwehr

Statt des Kirchentags kümmert sich jetzt die Linkspartei um die KollegInnen vom "Dritten Weg" Bild: dpa
Interview von Benno Schirrmeister

taz: Herr Spehr, hat Die Linke in Bremen einen Betriebsrat?

Christoph Spehr: Die Fraktion hat einen, die Landespartei nicht.

Ach…!

… aber wir haben ja auch nur zwei Mitarbeiter. Für die ist der Gesamtbetriebsrat der Bundespartei zuständig. Ein Problem sind oft die persönlichen Mitarbeiter der Bundestagsabgeordneten: Das sind ja immer gesonderte Arbeitsverhältnisse. Einige unserer Abgeordneten poolen das, um betriebsratsfähig zu werden, andere nicht.

Dass Interessenvertretung in Non-Profit-Organisationen (NPOs) ein globales Thema ist, leuchtet sofort ein, bei einem weltweiten Jahresumsatz von rund zwei Billionen US-Dollar. Aber Sie führen die Debatte nun mit Blick auf Bremen: Spielt das denn hier eine so große Rolle?

Da bin ich mir sicher. Schon allein, weil in Stadtstaaten der Anteil der NPOs besonders hoch ist. In Deutschland arbeiten rund sechs Prozent aller Beschäftigten in diesem Bereich, das wären rund 18.000 in Bremen. Andererseits gibt seit Jahren eine Kopplung von Non-Profit-Bereich und staatlicher Sparstrategie.

Inwiefern?

Die Zuwendungen werden gekürzt oder, das ist schon eine unselige Tradition in Bremen, durch Quersubventionen ersetzt - siehe Lagerhaus. Da wird gesagt: Ihr werdet jetzt Netzwerkträger für Ein-Euro-Jobs und lebt von den Kopfpauschalen. Das ist eine reine Sparstrategie.

Wieso ist denn die Bereitschaft, Mitarbeiterinteressen zu vertreten bei NPOs unterentwickelt?

Es gibt da subjektive Barrieren. Viele der NPOs sind ursprünglich selbstorganisierte Initiativen, die sich aus kollektiven Anfängen entwickelt haben. Da arbeitet man in dem Bewusstsein: "Wir sind die Guten", alle sitzen in einem Boot, irgendwie läuft es hier gemütlicher als auf dem normalen Arbeitsmarkt. Bei den kirchlichen Einrichtungen spricht man ja sogar offiziell vom "Dritten Weg". Aber das Informelle ist oft eine Falle. Das Engagement wird zum Einfallstor für Prekarisierung. Und gerade den neuen Chefs in NPOs fällt es oft schwer, zu akzeptieren, dass es so was wie arbeitsrechtliche Grenzen ihrer Macht gibt.

Es läuft aber doch auch oft wirklich gemütlicher und anders...

Das kommt darauf an. Das Spektrum reicht ja von der kleinen Kultur-Ini bis hin zum Krankenhaus in gemeinnütziger Form. Bei den kleineren Projekten gibt es oft eine innere Spaltung: Die Gründergeneration profitiert von der Selbstverwaltung, die später Dazugekommenen tragen die Lasten der Prekarität. Und bei den Großbetrieben spürst du wirklich keinen Unterschied mehr zu einem privatkapitalistischen Unternehmen.

Das war bei der hiesigen Diakonie vergangenes Jahr gut zu sehen. Wobei die Arbeitgeberseite eben noch immer von einer konfliktfreien Klärung ausgeht. Und die Frage des Streikrechts im Dritten Weg…

…ist ungeklärt. Der Betriebsrat des Diakonischen Werks ist jedenfalls der Meinung: Der Dritte Weg ist am Ende. Das ist ein Sektor mit extremem Konkurrenz- und Kostendruck. Gerade wenn man sich die jüngste Vergangenheit von Friedehorst anguckt: Da sieht man Ausgründungen, eigene Zeitarbeitsfirmen, eigene Beschäftigungsträger - das erfüllt alle Merkmale, die wir von einem kostenoptimierenden kapitalistischen Unternehmen erwarten würden. Und das findet in einem solchen Bereich statt.

Aber sind da Instrumente wie Betriebsrat, Gewerkschaft, Streik geeignet, wo das Gefühl, gemeinsam für die gute Sache zu schuften, die Fronten verunklart?

Das würde ich genau umgekehrt sehen. Nicht für Profit zu wirtschaften bedeutet ja eben nicht, dass die Entregelungen des Arbeitsmarktes hier nicht auch greifen, dass es kein Lohngefälle zwischen Kernbelegschaft und wechselndem, prekärem Leiharbeiter-Personal gibt. Im Gegenteil, die Frage, wie damit umzugehen ist, stellt sich hier zugespitzt - weil die NPOs eben auf öffentlich geförderte Beschäftigung und auf Ein-Euro-Jobber zurückgreifen können.

Und die Lösungen?

Ein Ansatz ist, dass die Betriebsräte sich auch um die befristeten, geförderten Beschäftigten und die Ein-Euro-Jobber kümmern. Die machen das auch schon - vor allem, um das Aushöhlen regulärer Beschäftigung zu verhindern. Eine andere Frage ist die nach einer Art Konzernbetriebsrat für die NPOs, etwa wenn es um Verhandlungen mit den kommunalen Stellen geht, wo die Zuwendungen designt werden. Dafür sind die einzelnen betrieblichen Interessenvertretungen oft zu schwach.

Bloß: Haben die denn alle gemeinsame Interessen?

Die Konkurrenz zwischen den einzelnen Trägern ist in der Tat sehr groß. Aber genau das begünstigt die Prekarisierung von Beschäftigung. Es findet sich immer einer, der sagt, okay, ich mach es auch dafür noch. Da läuft ein Wettbewerb ohne Grenze nach unten.

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