Ryder Cup im Golf: Neues Ausmaß an Hass
Europas Golfer gewinnen beim Ryder Cup spektakulär gegen die USA. Überschattet wird das Turnier von Entgleisungen aus dem US-Publikum.

Der Ryder Cup, das fiebrige Prestigeduell USA gegen Europa, hat oft eine wiederkehrende Dramaturgie. In den Doppeln am Freitag und Samstag, wo es auf besondere Teamfähigkeit ankommt, schwächeln die US-Golfer regelmäßig. Und holen bei den zwölf Einzeln am Sonntag gern auf. Aber würde das auch bei diesem Rekordrückstand von 4,5 zu 11,5 auf dem Golfplatz von Bethpage auf Long Island bei New York geschehen?
Das US-Team stand beim 45. Duell des Ryder Cups vor seiner saftigsten Blamage. Dann gewann es plötzlich Match um Match, oft spektakulär am 18. Loch aus großer Entfernung. Das Team war nah dran, die verrückteste Aufholjagd in der Geschichte des Golfsports zu Ende zu bringen. Bis endlich der Ire Shane Lowry den entscheidenden Ball zur Titelverteidigung versenkte. „Das war das coolste Ding meines Lebens“, jauchzte der Koloss völlig von Sinnen.
Das ohrenbetäubende Gekreische „USA, USA“ verstummte umgehend. Hauchdünn 15:13 stand es am Ende für den Titelverteidiger. „Die stressigsten 12 Stunden in meinem Leben“ hatte Europas Teamcaptain Luke Donald erlebt.
Gespielt werden an den ersten beiden Tagen in jeweils vier Duellen zwei verschiedene Arten von Doppel: Fourballs: dabei spielt jeder seinen Ball – wer das beste Ergebnis erzielt, gewinnt für sein Team das Loch. Nach 18 Bahnen bekommt das Gewinnerteam einen Punkt. Und es gibt mit der gleichen Zählweise die Foursomes: dabei spielt jedes Pärchen einen Ball abwechselnd.
Trump schwebt ein
Die Score-Boards waren ab Freitagmorgen schnell blau geworden, immer blauer. Blau ist die Farbe Europas, Rot steht für Amerika. US-Kapitän Keegan Bradley sah sich umgehend massiver Kritik ausgesetzt, er habe seine Doppel taktisch falsch zusammengestellt. Er behielt seine Aufstellungen bei und es ging noch schiefer. Beispiel Scottie Scheffler. Noch nie hat ein Weltranglistenerster beim Ryder Cup drei der vier Doppel verloren. Scheffler setze noch einen drauf: Er verlor alle seine vier Matches, großteils deutlich. Überragend bei Europa war der Engländer Tommy Fleetwood, der alle vier Spiele gewann, was seit 1979 niemand geschafft hatte.
Das US-Team harmonierte auch nicht vor den Augen von Donald Trump, der Freitagmittag mit einer demonstrativen Begrüßungsrunde seiner „Air Force One“ über dem Platz eingeschwebt war und dann aus einer schusssicheren Glasbox salutierte. Er müsse dem Team helfen kommen, ließ er wissen. Golfexperte Trump hat angeblich 36 Clubmeisterschaften gewonnen.
Emotionen kochen hoch
Ryder Cup heißt schon immer: Die Emotionen beim Publikum kochen hoch – aber so? Von den 60.000 Menschen auf Long Island setzte es permanent Zwischenrufe, Drohungen und Beschimpfungen, etwa „Fuck you Rory“ oder „irischer Abschaum“. Rory McIlroys Frau Erica wurde von einem Bierbecher getroffen und brauchte Polizeischutz. Pure Feindseligkeit statt Rivalität. Einmal störte ein schriller Schrei den Abschlag des Schotten Robert MacIntyre, der den Schlag versaute. Einmal störte ein US-Caddy den Putt von Englands Justin Rose.
Unsportliche Entgleisungen aus dem Publikum hat es beim Ryder Cup vor allem auf US-Plätzen immer wieder gegeben. Das Ausmaß an Hass aber war neu. US-Kapitän Bradley gab sich unwissend. Er habe nichts mitbekommen und überhaupt: Vor zwei Jahren in Rom sei es doch sogar „gewalttätig“ gewesen, gab er faktenfrei zu Protokoll. Der Londoner Guardian stellte fest: „Viele Zuschauer hier haben ein großes Maul im Gepäck und sehr kleine Hirne.“
Make America's Golf Autocratic
MAGA sollte auch hier gelten: Make America’s Golf Autocratic, also alleinherrschend gegen diesen frechen Dritteweltkontinent hinter dem Meer. Zur Vorbereitung der Europäer gehörte es, sich von solchen Attacken lächelnd abzuschirmen. Oder, wie Kapitän Luke Donald sagte: „Manche meiner Spieler motiviert solche Energie aus dem Publikum auch.“
Erfolgreich, wie man nachher wusste. Es war der 9. Triumph Europas in den 12 Aufeinandertreffen seit 2002. Mr. Präsident war zum Showdown am Sonntag übrigens nicht mehr eingeschwebt. Ratten meiden sinkende Schiffe.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert