Russland gegen Greenpeace: Anklage lautet auf Piraterie
Die in Russland festgesetzten Aktivisten müssen sich wegen „bandenmäßiger Piraterie“ verantworten. Aber es gibt überraschende Sympathisanten.
MÖNCHENGLADBACH/BERLIN taz | Es ist ein Kampf mit ungleichen Mitteln: Aktivisten der Umweltorganisation Greenpeace befestigen Transparente an Plattformen, ketten sich an Zapfsäulen, klettern auf Tankstellen. Am Dienstagabend sorgten sie sogar für eine Unterbrechung des Fußball-Champions-League-Spiels FC Basel gegen Schalke 04 – alles, um gegen Ölbohrungen des russischen Staatskonzerns Gazprom zu protestieren.
Russland setzt harte Justiz dagegen. Gegen die ersten fünf von insgesamt 30 Umweltschützern, die vor zwei Wochen versucht hatten, eine Gazprom-Bohrinsel zu besetzen, ist am Mittwoch Anklage wegen „bandenmäßiger Piraterie“ erhoben worden. Darauf steht bis zu 15 Jahre Haft.
Am 19. September waren die Greenpeace-Leute bei der Annäherung an die Plattform in der Barentsee aufgegriffen worden, ihr Schiff „Arctic Sunrise“ wurde von Spezialkräften des russischen Inlandsgeheimdienstes FSB gestürmt. Die Crew war eingesperrt und das Schiff in den Hafen von Murmansk geschleppt worden, wo die Aktivisten in Untersuchungshaft genommen wurden. Beobachter gehen davon aus, dass letztlich alle Crew-Mitglieder angeklagt werden.
Besonders dem rheumakranken Greenpeace-Sprecher Dmitrij Litvinov macht die Kälte in den Zellen gesundheitlich zu schaffen. Auch die niederländische Aktivistin Faiza Oulahsen beklagt sich in einem von Greenpeace veröffentlichten Schreiben. Als ihre Anwältin ihr bei einer Anhörung ein Glas Wasser reichen wollte, untersagte die Richterin das.
Wenig bedrohliche Schlauchboot
Den Aktivisten wird vorgeworfen, die 500-Meter Schutzzone der Ölplattform verletzt und die Ölplattform überfallen zu haben. Die „Arctic Sunrise“ habe sich zu keinem Zeitpunkt in der 500 Meter-Zone befunden, halten die Greenpeace-Anwälte entgegen. Lediglich die wenig bedrohlichen Schlauchboote seien innerhalb dieses Bereiches gewesen. Zudem sei es keine Piraterie, eine Plattform zu besteigen und ein Transparent anzubringen.
Gazprom will als weltweit erster Ölkonzern Anfang 2014 damit beginnen, Öl in der arktischen Petschorasee kommerziell zu fördern. Greenpeace sieht dadurch das sensible Ökosystem der Arktis in Gefahr, zumal Gazprom keinen ausreichenden Notfallplan für einen Ölunfall habe. Lecks sind auf Ölplattformen an der Tagesordnung, ganz abgesehen von möglichen Unfällen wie der Explosion der „Deepwater Horizon“ im April 2010. Damals starben zehn Menschen, fünf Millionen Tonnen Öl gelangten ins Wasser.
Proteste bis in die Champions League
Dass Gazprom aber auch versucht, sich mit Sport-Sponsoring ein positives Image aufzubauen, verschaffte Greenpeace am Dienstag eine willkommene Bühne: Im Champions-League-Spiel des FC Basel gegen den von Gazprom unterstützen deutschen Klub Schalke 04 seilten sich Aktivsten in der fünften Spielminute mit einem riesigen Transparent vom Stadiondach ab. Das Spiel musste kurzfristig unterbrochen werden.
Während sich die beiden Trainer nicht zu der Aktion äußern wollten, sagte Schalkes Manager Horst Heldt: „Es ist wichtig, dass es Organisationen gibt, die sich für diese Dinge einsetzen. Es gibt viele Themen, die sie angreifen.“ Die Uefa, die ebenfalls von Gazprom gesponsort wird, erklärte am Mittwoch, sie wolle prüfen, ob sie in Disziplinarverfahren einleite.
In Deutschland protestierten am Mittwoch Greenpeace-Aktivisten an allen 23 Gazprom-Tankstellen für die Freilassung der Inhaftierten und gegen die Bohrpläne.
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