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Russische MusikszeneRappen, schweigen oder schießen?

Trotz Repression wenden sich nach wie vor russische Mu­si­ke­r*in­nen gegen Krieg und Putins Regime. Andere unterstützen ihn, manche verstummen.

Evgenij Fjodorow während einem Auftritt in Kolomenskoje im Jahr 2011 Foto: ITAR TASS/imago

Am 18. März 2023 wird die russische Band Tequilaja333 in dem Berliner Klub PANDA platforma auftreten, ein Auftrittsort für russische wie ukrainische Künst­le­r:in­nen – auch nach Kriegsbeginn. Der alte Bandname Tequilajazzz ist Geschichte. „Der Buchstabe Z wurde durch die Propaganda vergiftet“, kommentiert Sänger Evgenij Fjodorow die schwierige Situation für oppositionelle Künstler in einem Interview.

Fjodorow lebt inzwischen in Estland. Einige Tage nach Beginn des Angriffskrieges auf die Ukraine ist er aus Russland geflohen, in Sankt Petersburg war er bedroht. Seit Langem war bekannt, dass er die Krim­annexion und die Besetzung der Ostukraine ablehnt. Seit 2014 ist seine Band Tequillajazzz regelmäßig in der Ukraine aufgetreten. Nach dem März 2022 sagten sie alle Konzerte im In- und Ausland ab.

„Sich auf die Bühne stellen und Menschen unterhalten, während gleichzeitig das eigene Land Krieg führt, das ging überhaupt nicht“, begründet Fjodorow die Entscheidung. Seit Kurzem spielt Tequilaja333 in neuer Besetzung, neben Fjodorow ist nur Gitarrist Konstantin Tschalich geblieben. Unüberbrückbare politische Differenzen haben ein Zusammenspiel mit dem Schlagzeuger Alexandr Woronow unmöglich gemacht.

Wichtige Verständigung in der Diaspora

„PANDA platforma ist nicht zugänglich für Menschen, die den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine rechtfertigen“, steht auf der Webseite der gemeinnützigen Institution, die seit 2009 zur wichtigen Berliner Anlaufstelle für Künst­le­r*in­nen aus Osteuropa geworden ist. Im März tritt dort auch die Moskauer Folkrock-Band Aloe Vera auf. Sängerin Vera Musaeljan hat im März 2022 auf ihrem Facebookprofil eine Solidaritätsadresse an die Menschen in der Ukraine gepostet.

Kurz danach wurden alle Konzerte der Band in Russland abgesagt. Offizielle Stellen hatten ein Auftrittsverbot erwirkt. Die Band kommentierte das lakonisch: „Nichts wirklich Neues. Wir stehen schon auf der Liste der ideologisch unzuverlässigen Bands. So werden Clubbesitzer, die uns auftreten lassen, immer wieder mit Geldstrafen belegt.“ Oft werden ihre Konzerte erst am Auftrittstag verboten.

So geschehen am 6. August letzten Jahres, als Aloe Vera endlich wieder in der russischen Hauptstadt spielen wollte. Die Band informierte ihre Fans nur noch auf inoffiziellen Kanälen über ihre Aktivitäten. So fanden im Sommer eine Handvoll geheimer Konzerte statt, bis die gleichgeschalteten Medien titelten: „Verbotene Band Aloe Vera spielt illegale Konzerte.“

Koketterie ist fehl am Platz.

Die Frauenband Iva Nova ist 2022 in Deutschland aufgetreten. Bei einem Konzert in Berlin hat sie sich gegen den Angriffskrieg positioniert, erinnert sich Svetlana Müller, Leiterin von PANDA platforma. Auf der Webseite von Iva Nova, deren Musikerinnen in Petersburg leben, ist dazu allerdings nichts zu finden. Momentan werden Konzerte anlässlich des internationalen Frauentags beworben. „Koketterie ist zurzeit fehl am Platz. Man möchte eigentlich von ganzem Herzen von etwas wirklich Wichtigem sprechen“, schrei­ben sie. Wer möchte, kann hier zwischen den Zeilen lesen.

Laut Webseite ist die bekannte russische Skaband Markscheider Kunst nach wie vor live im Land unterwegs. Daran hat der Beginn des russischen Angriffskriegs nichts geändert. Ihr letztes Album, „Freedom“, ist 2020 erschienen. Leadsänger Sergej Efremenko befürwortet seit 2014 die Krimannexion und jetzt auch die sogenannte militärische Spezialoperation.

Sascha Skljar, Gründer der Perestroikaband Va banque, trat im September 2022 bei dem Konzert „Wir lassen die Unseren nicht im Stich“ auf, dem Rahmenprogramm der „Volksabstimmungen“ in der besetzten Ostukraine.

Posieren mit Maschinengewehr

Von Julia Tschitscherina, als Rocksängerin Anfang der Nullerjahre berühmt geworden, gibt es viele Videoclips, die sie mit Gitarre an der Front inszenieren. Aus ihren Songtexten tropft der Hass. Gerne lässt sich die Rockröhre mit Maschinengewehr ablichten und schießt. Ihr ist inzwischen das Prädikat „verdiente Künstlerin der Russischen Föderation“ verliehen worden.

Der russische Rapper Oxxxymiron hingegen ist seit seiner Tournee „Russians against the War“, die ihn auch nach Berlin führte, zum „feindlichen Agenten“ erklärt worden. Nach seiner Rückkehr hat er Ende September den Antikriegsrap „Hergestellt in Russland“ als Single veröffentlicht. Seine Reaktion auf Putins Rede zur Annexion der besetzten Ostukraine. „Russia banned“ verkündet er im Netz und wirbt furchtlos für seine Welttournee, die ihn Ende März wieder nach Berlin bringen wird.

„Heimat, komm heim“ singt Jurij Schewtschuk von DDT, einer der wichtigsten Rockbands der Perestroika-Ära der späten 1980er. Den Clip veröffentlicht er zum Jahrestag des Kriegsbeginns auf YouTube. Er schaut direkt in die Kamera und singt: „Werde nicht verrückt, denn es ist nicht dein Krieg.“ Über 800.000 Klicks in den ersten Stunden, 9.000 Kommentare. Jemand schreibt: „Danke, dass ihr keine Angst habt, euch öffentlich zu äußern. In den Tiefen Russlands brauchen wir eure Unterstützung.“

Traurige Realität: Die Webseiten der meisten russischen Bands gleichen Geisterbahnhöfen. Sie schweigen lieber.

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