Künstler in Russland: Lange Liste unerwünschter Musike­r

Nicht nur die Band Zveri, auch andere russische Musiker dürfen in Russland nicht auftreten. Ihr Vergehen: Kritik am Krieg.

Rockmusiker auf der Bühne, in rotes Licht getaucht

Ein Konzert der russischen Rockband Zveri wurde verschoben. Ein Auftritt im Dezember ist unsicher Foto: imago

Die Ankündigung wurde von der Website des Veranstalters genommen. Jetzt steht dort nur noch, das Konzert werde auf den 15. Dezember verschoben. Alternativ kann man sich das Geld für die Tickets erstatten lassen. Die Absage kam gerade einmal vier Tage vor dem geplanten Auftritt von Zveri, einer der populärsten Rockbands in Russland. Gründe wurden keine genannt. Aber alle wissen, dass ein Abgeordneter der Staatsduma die Staatsanwaltschaft im Juli aufgefordert hatte, die Band zu überprüfen. Zveri solle Jugendlichen nicht „ihre staatsfeindliche Haltung vermitteln können“.

Es ist schon das zweite Mal in diesem Jahr, dass ein Zveri-Konzert abgesagt wurde. Im Juni sollte die Band während des Internationalen Wirtschaftsforums in Sankt Petersburg (SPIEF) auftreten. Zveri positioniert sich in der Regel nicht politisch, aber nach der Annexion der Krim 2014 hatte die Band einen Auftritt dort abgelehnt. Und gleich zu Beginn des Krieges gegen die Ukraine hatte sich ihr Leadsänger einmal gegen das russische Vorgehen ausgesprochen.

Die SPIEF-Organisatoren mögen das vergessen haben, auf lokale Politiker trifft das nicht zu: Im Vorfeld des geplanten Konzerts beim Internationalen Wirtschaftsforum forderte ein örtlicher Abgeordneter die Staatsanwaltschaft auf, den Auftritt zu verbieten. Das Konzert sei eine Beleidigung für all diejenigen, die ihr Leben für die Sicherheit der Menschen in Russland aufs Spiel setzten. Zveri wurden dann durch politisch loyale Musiker ersetzt.

Witzig ist, dass die SPIEF-Organisatoren damit bereits zum zweiten Mal in Folge die Auswahl der Künstler vergeigt haben. Im Jahr 2022 sollte dort die Rockband BI-2 auftreten, aber auch dieser Auftritt wurde kurzfristig abgesagt. Zuvor hatten die Musiker sich geweigert, in einer Halle im sibirischen Omsk aufzutreten, in der ein Plakat mit einer russischen Flagge und der Aufschrift „Für den PräZidenten“ hing. (Übersetzung angelehnt an das russische Original, bei dem ein kyrillischer Buchstabe durch das lateinische „Z“ ersetzt wurde; d. Übersetzerin). Daraufhin wurde die Russlandtournee von BI-2 auf unbestimmte Zeit verschoben. Ihr Sänger verließ das Land.

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An die Absage von Rockkonzerten haben wir uns seit vergangenem Februar schon fast gewöhnt. Eigentlich schon seit der Pandemie, aber da waren die Gründe für eine Absage klarer. Jetzt heißt es schwammig „aus technischen Gründen“ oder „aufgrund der Erkrankung eines Künstlers“. Trotzdem verstehen normalerweise alle, was Sache ist.

Mit jedem Tag wird die Liste der „unerwünschten“ Musiker länger. Die einen haben etwas gegen den Krieg gesagt und Russland eilig verlassen. Und andere versuchen immer noch, hier aufzutreten, trotz Repressionen seitens der Behörden, permanenter Hasskommentare in den sozialen Netzwerken und der öffentlichen Empörung von Aktivisten und Abgeordneten. Am Beispiel Zveri sieht man, dass das nicht immer gelingt.

Aus dem Russischen Gaby Coldewey

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